Essen. . Zur Kommunalwahl am 25. Mai werben auch zwei Migranten-Listen um die Gunst der Essener Wähler - vor allem derjenigen mit ausländischen Wurzeln. Bei den etablierten Parteien läuten die Alarmglocken. Mancher sieht die Integrationspolitik in der Stadt als gescheitert an.

Stehen sie politisch links oder rechts? Wer die „Allianz Essener Demokraten“ (AED) und das „Bündnis für Innovation und Gerechtigkeit“ (BIG) im politischen Koordinatensystem verorten will, wird sich schwer tun. Ihre Namen lassen es nicht vermuten, aber beide Gruppierungen, die bei der Kommunalwahl am 25. Mai für den Essener Rat kandidieren, definieren sich allein über die nationale Herkunft. Als „Migranten-Wahlvereine“ werben sie um die Stimmen von Essener Bürgern mit deutschem Paß und ausländischen Wurzeln.

Vertreter der etablierten Parteien sehen das mit großer Sorge. Auch der für das Thema Integration zuständige Beigeordnete der Stadt, Andreas Bomheuer, ist alles andere als begeistert: „Das ist nicht das, was ich mir unter Integration vorstelle.“

Andere werden deutlicher: „Ich halte die Integrationspolitik in Essen für gescheitert“, polterte Udo Bayer, Fraktionschef des Essener Bürgerbündnisses (EBB), am Donnerstagabend bei der Diskussionsrunde der NRZ „Essen kontrovers“.

Muhammet Balaban kandidiert auf Platz 1 der Reserveliste der AED. Der gebürtige Türke gehört dem Ausländerbeirat an, lange Jahre stand er dem Gremium vor. Seit 27 Jahren ist er SPD-Mitglied. Nun droht Balaban der Parteiausschluss, denn er kandidiert auf einer konkurrierenden Liste. Warum? Viele Migranten fühlten sich nicht integriert. Balaban denkt vor allem an jene „70 Prozent muslimischer Herkunft, die nicht zu den Wahlen gehen“. Möglichst viele zu den Urnen zu bewegen, „das ist unser Ziel“.

Noch steht ein Fragezeichen dahinter, ob die „Allianz der Essener Demokraten“ wie angestrebt in 19 von 41 Kommunalwahlkreisen antreten wird. Neun Kandidaten haben nicht die erforderliche Anzahl von Unterstützungsunterschriften vorgelegt, was der Landeswahlleitung nach Darstellung der Stadt erst gestern aufgefallen ist. Gegen die Zulassung zur Wahl hat Oberbürgermeister Reinhard Paß mittlerweile Beschwerde beim Landeswahlausschuss eingereicht.

Allenfalls Außenseiterchancen darf sich das „Bündnis für Innovation und Gerechtigkeit“ ausrechnen. BIG tritt nur in vier Kommunalwahlkreisen an, kandidiert aber auch in drei der neun Bezirksvertretungen. Unter anderem der hohen Jugendarbeitslosigkeit unter Migranten wolle man sich annehmen. „Wir sind Teil dieser Gesellschaft“, sagt Listenführer Mohamad Masri, als langjähriger Vorsitzender des Libanesischen Zedernvereins ebenfalls kein Unbekannter.

Machen Migranten in Rat und Bezirksvertretungen künftig Politik in eigener Sache? Masri wie auch Balaban wiegeln ab: „Meine Idee ist nicht Separatismus“, versichert letzterer. Bei den Parteien läuten dennoch die Alarmglocken, nicht nur, weil sie um Stimmen fürchten. Essens SPD-Chef Dieter Hilser spricht von einer „bedenklichen Entwicklung“, Linken-Fraktionschef Hans-Peter Leymann-Kurtz von „Desintegration“. Die Parteien hätten sich, wenn auch erst sehr spät doch längst auch für Migranten geöffnet.