Essen. . 200 Essener demonstrierten am Samstag in der Innenstadt gegen die Schließung von Jugendzentren und für mehr Kulturraum. Die ehemalige Hauptschule Bärendelle als Generationenzentrum ist eine ihrer Forderungen.

Sie sind jung und haben den Mut. Laut, bunt und entschlossen machten sich am vergangenen Samstag rund 200 Essener vom Willy-Brandt-Platz aus auf den Weg durch die Innenstadt. Um das mit Mikrofonen und Lautsprechern herauszurufen, wofür sie schon lange kämpfen.

„Reclaim the city! Mehr Raum für die Jugend, mehr Platz für uns!“ war der Slogan der Demonstration von achtzehn Organisationen aus Essen und Umgebung, die sich sozial und kulturell obdachlos fühlen. „Es gibt einfach keinen Raum mehr für uns“, sagt Sven Federupp vom Essener Jugendbündnis. „Wir wissen nicht, wo wir hinsollen mit Selbsthilfegruppen, Konzerten oder anderen kulturellen Veranstaltungen. Gleichzeitig ist die Stadt aber bereit, hunderte Millionen für Prestige-Objekte zu investieren“, macht der 23-Jährige seinem Ärger auf dem Willy-Brandt-Platz Luft. Und dieser Missstand betreffe politische Jugendorganisationen genauso wie Senioren, Musiker oder Künstler.

Studentenreden und linke Parolen

Die Bandbreite merkte man der bunten Menschentraube an, die sich lautstark vom Hauptbahnhof über den Kennedyplatz bis hin zum Viehhofer Platz zwischen den Samstagseinkäufern hindurchzwängte. Von 15-Jährigen Schülern, über engagierte Senioren bis hin zur linken Szene war die Palette komplett.

„Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Zukunft klaut“, schallte es begleitet von einem Mix aus Elvis, Latino und Reggae aus dem Lautsprecherwagen. Zwischenzeitlich mischten sich unter die kulturbeflissenen Schüler- und Studenten-Reden auf dem Weg zum nächsten Kundgebungsort mit “Antifaschista“ und „Nazis raus“ auch linke Parolen, die dem fröhlich karnevalistisch anmutenden Zug kurzzeitig eine andere Note verliehen.

Eine der größeren Gruppen machte die Bürgerinitiative Bärendelle aus. Hier hatten sich Jung und Alt mit bunt bemalten Schildern samt dunkelbraunem Maskottchen „Bärbel“ auf die Straße begeben. Ihr Ziel: Das leerstehende Gebäude der ehemaligen Hauptschule Bärendelle zu einem sozio-kulturellen Zentrum für alle Generationen umzufunktionieren. Die Ideen reichen von Demenzcafé über Strickwerkstatt bis hin zu Gartenparties. „Wir wollen nicht, dass die Stadt das Gebäude vergammeln lässt oder es an private Investoren verkauft“, erklärt Christian Stauer von der Bürgerinitiative. Die Stadt verhandelt derzeit allerdings bereits mit einer Wohnbaugesellschaft über einen möglichen Verkauf. (NRZ berichtete) Geprüft wird noch, ob sich in Teilen der Immobilie dann auch gemeinnützige Räume schaffen lassen.

„Die Bärendelle als neues Kulturzentrum ist eine unserer Forderungen als Ausgleich zur Schließung des Jugendzentrums Papestraße“, erklärt Sven Federupp vom Essener Jugendbündnis. Das JZE in Holsterhausen ist über ein halbes Jahrhundert hinweg ein Zentrum für kulturellen Austausch und jugendpolitisches Engagement gewesen. In den vergangenen Tagen begannen die Abrissarbeiten. Laura Gericke vom Essener Jugendbündnis stellt jedoch klar, dass die Forderungen weit über das Ziel der Bärendelle hinaus gehen. „In einem Ballungsgebiet wie Essen ist es wichtig, den Menschen kulturelle Freiräume einzurichten“, sagt Gericke. Mit einer einzigen Einrichtung dieser Art sei das Problem bei der Bevölkerungsdichte von Essen nicht gelöst.

Maja Iwer von der Bezirksschülerinnenvertretung weiß was dieser Missstand für viele Jugendliche konkret bedeutet. „Es gibt viele, die nach der Schule nicht nach Hause gehen, weil ihre Eltern arbeiten. All denen fehlt eine Anlaufstelle, wo sie günstig etwas warmes zu Essen bekommen und ihre Hausaufgaben machen können. Ansonsten lungern sie unbeaufsichtigt auf der Straße herum“, weiß die 15-Jährige. Die Weststadthalle, die Ersatz schaffen sollte für fehlende Jugendräume, sei dafür keine Alternative. „Das ist eine Veranstaltungshalle, die man mieten muss und kein Ort, an dem man regelmäßig seine Freizeit verbringen kann“, erklärt Maja Iwer. Und selbst beim Mieten sei es schwierig. „Die Räume sind permanenten ausgebucht“, erklärt Sven Federupp vom Essener Jugendbündnis. Doch jegliche Bemühungen im Kontakt mit der Stadt seien bisher gescheitert. „Ich bin mir sicher, dass Geld da wäre, wenn sich die Politik erst einmal entscheidet, diesen Missstand wahrzunehmen und etwas daran zu ändern“, meint Federupp.

Leerstand bleibt Bürgern verwehrt

Für Diana Kummer von der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend ist das Hauptärgernis, dass der Leerstand der Stadt den Bürgern verwehrt bleibt. „Knapp 20.000 Einheiten in Essen stehen leer, aber die Stadt reißt sie lieber ab oder verkauft sie, anstatt sie uns zur Nutzung zu überlassen“, ruft die junge Sozialistin bei der Schlusskundgebung über den Viehofer Platz. „Es ist Zeit für Widerstand gegen Kürzungen und Schließungen. Um unsere Jugendzentren und unser Kultur zurückzuholen, müssen wir laut werden“.