Der Eine brachte den Beamten ein Stück Kuchen mit den besten Grüßen von seiner Frau vorbei, der Andere bot spontan an, die Radargeräte kostenlos an seinen Hausstrom anschließen zu wollen – die stadtweiten Blitzmarathons der Polizei blieben in den vergangenen zwei Jahren nie ohne Resonanz, auch wenn die durchaus eine geteilte war: Während die Tempo-Sünder über die „Abzockerei“ am Straßenrand fluchten, zeigten sich Anwohner meist hocherfreut, wurde der Verkehr vor ihrer Haustür mit scharfem Laser-Blick überwacht.
So viel Widerhall schreit offenbar nach einer Wiederholung: Am 8. April startet die hiesige Behörde mit ihren Schwestern im Land zum mittlerweile sechsten Mal allerorten durch gegen die Raser – und diesmal sollen die Bürger mitblitzen.
Fürs nächste Radar rund um die Uhr hat die örtliche Polizei bereits 46 mögliche Messstellen (siehe Liste auf der Lokalseite 2) vorgeschlagen, aus denen die Essener ihren persönlichen „Favoriten“ wählen können – also die Straße, auf der ihrer Meinung nach viel zu häufig viel zu schnell gefahren wird. Innenminister Ralf Jäger hat keinen Zweifel, dass das ankommt: „Die Menschen erleben in ihrer direkten Umgebung, dass viele Autofahrer rücksichtslos fahren und das Leben anderer gefährden. Das macht sie wütend und besorgt.“
Von Altendorfer über Karnaper bis Zeunerstraße – „wir haben die Messstellen aus fachlicher Sicht danach ausgesucht, wo wir als Polizei ein Problem sehen“, sagt Behördensprecher Ulrich Faßbender über das Prinzip der Vorauswahl von Amts wegen.
Knapp 50 Messstellen in Essen sind allerdings deutlich weniger als in der Vergangenheit, als die Polizei nach eigenen Angaben binnen 24 Stunden rund 100 Standorte abfuhr. „Doch wir werden diesmal nicht weniger überwachen“, beteuert Faßbender. Es sei durchaus geplant, die Radarfallen am Tag des Blitzmarathons zwei bis drei Mal am Tag in einer Straße aufzubauen.
Die Führung der Essener Polizei jedenfalls ist von der Wichtigkeit der Aktion überzeugt: „Wir werfen alles da rein, was wir an Personal zur Verfügung haben“, sagt Faßbender. Schließlich sei auch für Polizeipräsidentin Stephania Fischer-Weinsziehr „überhöhte Geschwindigkeit der Killer Nummer eins auf unseren Straßen“.
Dass dagegen schärfere Kontrollen und Aufklärung gleichermaßen helfen, steht für die Polizei außer Frage: Wie Jäger macht auch Faßbender solche Großaktionen wie den Blitzmarathon mitverantwortlich für die gesunkenen Zahlen bei Verkehrstoten, Verletzten und Unfällen. Es ist ein „Bauchgefühl“, sagt er, einen wissenschaftlichen Nachweis für die positive Wirkung gebe es nicht, doch die Zahlen des vergangenen Jahres sprechen zumindest keine deutlich andere Sprache: Der Verkehr auf örtlichen Straßen hat in 2013 so wenige Verletzte gefordert wie seit zehn Jahren nicht mehr. Drei Menschen kamen ums Leben. Das waren sechs weniger als im Jahr zuvor. Und es hat insgesamt seltener gekracht: 21.858 Unfälle wurden gezählt. Das waren 2,5 Prozent weniger als 2013.
Dennoch: Über 40.000 registrierte Tempoverstöße in zwölf Monaten sind immer noch genau so ein Grund zur Sorge, wie ein anderer objektiver Befund über die Zustände auf Essens Straßen es ebenfalls ist: 237 Mal war überhöhte Geschwindigkeit die Ursache für einen Unfall – ein Plus von 5,3 Prozent.