Am Samstag um 10 Uhr werden die die ersten Sprayer in Werden ankommen und ihre Farbdosen auspacken. Sie wollen die Wand unter der Gustav-Heinemann-Brücke mit ihren Graffiti verschönern und haben jeden Schritt durchgeplant. Die Polizei muss trotzdem niemand rufen, und verstecken müssen sich die Sprayer auch nicht. Denn das alles ist seit kurzem legal.

Die Aktion ist Teil des Projekts „Freiflächen für Sprayer“. Dabei dürfen Künstler ihre Werke an die Wand sprühen und müssen keine Strafe fürchten. Und am Samstag um 16 Uhr wird die erste Sprühaktion offiziell gefeiert.

Gerd Dubiel ist Initiator des Projekts. Er arbeitet beim Essener Jugendamt und stellt den Kontakt zur Sprayer-Szene her: „Am Anfang bin ich einfach auf die Sprayer zugegangen, aber mittlerweile kommen sie auch zu mir“, erklärt er.

In der Vergangenheit hat Dubiel ausschließlich positive Erfahrungen mit dem Freiflächen-Konzept gemacht. Die Zusammenarbeit mit der Szene sei sehr gut, „ohne sie würde das Projekt auch gar nicht laufen“, erklärt er.

„Kreativ statt destruktiv“ – mit diesem Motto möchte Dubiel zeigen, dass der Großteil der Sprayer nicht kriminell, sondern vielmehr kreativ sei. Bisher zeigt sich die Fläche unter der Werdener Brücke allerdings noch von einer anderen Seite - der illegalen: schwarz-graue Schriftzüge reihen sich aneinander und verschwimmen zu einer Suppe, in der nichts mehr zu erkennen ist. Mit diesen Graffiti hat das Projekt nichts zu tun.

Ein anderer Abschnitt der Wand lässt allerdings erkennen, was geplant ist: Die Mitglieder des Werdener Bürger- und Heimatvereins haben einen Künstler engagiert, der mit seinen Bildern die Wand verschönern konnte. Eines der Motive zeigt einen Radfahrer, der die Ruhr entlang fährt - im Hintergrund erkennt man ein Bergwerk. Der Verein besitzt zwar nach wie vor die Rechte für die Nutzung dieser Wand, weitere professionelle Aufträge sind allerdings zu teuer.

Monika Reich-Püttmann vom Bürger- und Heimatverein freut sich daher umso mehr auf das Freiflächen-Projekt. Denn durch die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt kann die Wand nun doch noch weiter verschönert werden: Der Bürgerverein gibt die Rechte zur Nutzung der Fläche an die Beteiligten des Projekts weiter, und im Gegenzug kümmern diese sich um die Einhaltung der Regeln.

Wer eine Genehmigung bekommt, entscheiden die sogenannten Flächenpaten: in Werden übernimmt Ulf Lorenz diese Aufgabe. Zusammen mit Gerd Dubiel hat er vor rund fünf Jahren mit der Planung des Projekts begonnen und das endgültige Freiflächen-Konzept entwickelt. Als Pate der Wand vergibt er aber nicht nur die Genehmigungen. Er achtet vor allem auch darauf, dass die Motive angemessen sind. Der künstlerischen Freiheit seien dabei zwar keine Grenzen gesetzt, „aber rassistische und sexistische Bilder sind klar verboten“, erklärt der Werdener.

Legal sprayen darf man in Essen zurzeit auf zehn Flächen – in Werden und Kettwig fehlte diese Möglichkeit aber bisher. So kam der Tipp für die Wand unter der Gustav-Heinemann-Brücke letztendlich auch selbst von einem Sprayer.