Burgaltendorf. .

1. Januar 1970. Als aus Altendorf/Ruhr nahezu über Nacht Burgaltendorf wird und eine über Jahrhunderte dörflich geprägte selbstständige Gemeinde des 1929 entstandenen Ennepe-Ruhr-Kreises der Stadt Essen zugeschlagen wird und plötzlich nur noch Stadtteil ist, da sind die Menschen vor Ort alles andere als entzückt. Eine Eingemeindung, die will in Tagen wie diesen niemand so wirklich, und dass uralte Westfalen plötzlich zu Rheinländern gemacht werden und dann auch noch der Name Altendorf wegfällt, weil dieser in Essen bereits besetzt ist, das schmeckt den Menschen ebenfalls nicht sonderlich.

Doch der Ärger ist heute nahezu verraucht, weil die Sache mit der Eingemeindung auch schon wieder lange her ist, es vor allem aber weitaus Schlimmeres in der Geschichte von Altendorf/Ruhr gegeben hat. Natürlich und in erster Linie die Nazi-Zeit und den Zweiten Weltkrieg, die mit all ihren Grausamkeiten gar schauderhafte Spuren auch in Altendorf/Ruhr hinterlassen haben.

Zentrum gewinnt die Wahl 1933

Bei der freien Kommunalwahl im März 1933 bekommt das katholisch geprägte Zentrum mit Spitzenkandidat Unteregge über 50% der Stimmen, das Ergebnis aber wird von der aufstrebenden NSDAP nicht anerkannt. „Nur Wochen später“, so ergeben die Recherchen von Heimatforscher Dieter Bonnekamp, „ernannten die Nazis einen gewissen Johann Ludwig Neuhaus zum kommissarischen Bürgermeister“.

Damit ist sie auch im zuvor eher beschaulichen Altendorf/Ruhr angebrochen, die dunkle Zeit, die fortan viele Menschen die Fröhlichkeit kostet, die freie Meinungsäußerung, viele Freunde, das Glück und manchmal auch das eigene Leben.

„Die Leute sagen noch heute: Hier hat es keine Nazis gegeben, die jemanden ans Messer geliefert hätten“, hat Dieter Bonnekamp in vielen Gesprächen mit den wenigen noch lebenden Zeitzeugen oder in schier endlosen Stunden in diversen Archiven festgestellt. Wie aber die ganze Wahrheit aussieht, was mitunter passierte, jedoch längst vergessen oder nie aufgeschrieben worden ist, das vermag auch Bonnekamp nicht zu sagen.

Einige belastbare Zahlen aber gibt es dann wohl doch. 256 gefallene oder vermisste Soldaten kamen aus Altendorf/Ruhr, zudem 14 zivile Opfer – zumindest offiziell.

Eine Geschichte, die nicht nur Bonnekamp durch Mark und Bein ging, ist die vom Polizisten Adolf Köhler, einem der wohl wenigen ganz strammen Nazis, die in Altendorf/Ruhr wahrlich ihr Unwesen trieben. Eines Tages führte Köhler fünf polnische Zwangsarbeiter auf den katholischen Friedhof, um sie zu liquidieren. Menschen, die zuvor ihr eigenes Grab ausheben sollten. Fürchterlich.

Hinrichtung in den Ruhrwiesen

Zum Glück für vier der fünf Zwangsarbeiter stellte sich Dechant Josef Schulte dem Wahnsinn in den Weg, so dass Köhler von seinen Opfern abließ. Einer jedoch, der aus Warschau stammende Rechtsanwalt Anton Ziwielewski, kam nicht mit dem Leben davon. Ihn drängte Köhler am 27. März ‘45 in die Ruhrwiesen, wo er ihn mit einem Genickschuss hinrichtete und verscharrte.

Drei Monate später, die Amerikaner waren längst vor Ort, wurde der Leichnam des „auf der Flucht erschossenen“ Ziwielewski dann gebührend in Altendorf/Ruhr beerdigt. Köhler hatte ihn persönlich ausgraben müssen. Immerhin.

Und Köhler selbst? Der verschwand spurlos, wie und warum, das wurde nie aufgeklärt.

Dagegen ist das Schicksal von Bürgermeister Neuhaus zumindest geklärt. Neuhaus starb, tödlich getroffen von mehreren Granatsplittern, als er, linientreu und nach wie vor überzeugt von Hitlers Idee, die Amerikaner aufhalten wollte, obschon die bereits die Ruhr überquert hatten und der Krieg längst verloren war.

Noch so ein Wahnsinn.