Essen. . Als „Ring politischer Jugend“ wollen die Jugendorganisationen der Essener Parteien den Nachwuchs für Politik begeistern. Doch bitte ohne die „Linksjugend Solid“. Ein merkwürdiges Demokratieverständnis?

Junge Essener für Politik begeistern, sie zu motivieren, Prozesse mitzugestalten und sich an der Willensbildung zu beteiligen – so haben’s sich Essens Nachwuchspolitiker aus Jungsozialisten in der SPD (Jusos), der CDU-nahen Junge Union (JU), den Jungen Liberalen (Julis) und den Jungen Grünen vorgestellt. Mit einem Speed-Dating zum Thema „Jugendpolitik = junge Politik in Essen?“ Jüngst war es im Rüttenscheider Restaurant Istra soweit. Junge Leute kamen, keine Frage, deutlich mehr als erwartet sogar, um sich in netter Atmosphäre über den Alltag in der Kommunalpolitik auszutauschen. Dass der aber nicht immer so rosig ist, liefert der RPJ mit einem Lehrstück in Sachen Demokratie gleich mit: 1973 ins Leben gerufen, fließen über dieses Konstrukt Jahr für Jahr städtische Gelder an die Jugendorganisationen der Essener Parteien. 16.000 Euro sind’s aktuell, früher waren es deutlich mehr. Jede der vier Gruppen erhält einen Sockelbetrag, dazu kommt ein Obolus für jeden Sitz, den ihre Mutterpartei bei der Kommunalwahl gewonnen hat. Christdemokraten, Sozialisten, Liberale und Grüne – ihre Gruppen erhalten ein Stück vom Kuchen, die „Linksjugend Solid“, die parteinahe Jugendorganisation der Partei Die Linke jedoch nicht. Jüngst hat sich der RPJ einmütig eine neue Satzung gegeben und mit Juso-Chef Alexander Nolte einstimmig einen neuen Geschäftsführer gewählt. Dann war Schluss mit der Einmütigkeit, denn wenn es um „linke Ideologien“ geht, wie JU-Chefin Jessica Roth betont, ist man sich nicht mehr grün.

Prinzip der Einmütigkeit

In der Linksjugend erkenne sie Gewalttendenzen, außerdem stehe der Verband „nicht zu den Werten unserer Verfassung. Die Junge Union ist der Auffassung, dass wir im RPJ mit der Linksjugend oder der Linkspartei nicht kooperieren werden“, sagt Roth. Schließlich werde die Organisation im Verfassungsschutzbericht aufgeführt. Dass die Partei in Bundestag, zahlreichen Landtagen und im Stadtparlament vertreten ist, sei für sie kein Einwand. „Die Jungen Nationaldemokraten [die Jugendor­ganisation der NPD] wären als Mitglied ebenso vollkommen indiskutabel, weil sie, wie die Linksjugend, keine demokratischen Grundwerte haben“, betont Roth. Anezka Hausmann, Vorsitzende der Julis, will das Thema lieber intern im RPJ behandeln, der Linksjugend aber die Chance geben sich vorzustellen. Dazu wird es bald ein halbstündiges Gespräch im RPJ geben, so haben es Jusos und Junge Grüne verlangt. Hausmann: „Wenn die Jungen Piraten oder ähnliche Gruppierungen kommen sollten, sollten wir auch das Gespräch suchen, wenn sie unsere Werte un­terstützen.“ Junge Piraten gibt es in Essen noch nicht, aber Junge Nationaldemokraten. Doch mit denen will sich die Juli-Chefin dann lieber nicht zum Kennenlernen treffen.

Dass der Verband seine Entscheidungen einmütig treffen muss, will Gerrit Wicker von der Grünen Jugend verändern: „Wir brauchen keine Machtspiele. Echte Demokratie gibt’s nur durch Mehrheitsentscheidungen.“ Kommt es am Ende wirklich so, steht der Aufnahme neuer Mitglieder wohl nichts mehr im Wege. „Ansonsten können wir uns den Klageweg vorstellen, aber das ist nur der letzte Schritt“, sagt Jules Jamal El-Khatib von der Linksjugend.

Juso-Chef Alexander Nolte will es so weit gar nicht erst kommen lassen und hofft, dass es am Ende dennoch eine einmütige Entscheidung gibt: „Wir bleiben am Ball.“ Er wolle das zarte Pflänzchen, die durch Jörg Uhlenbruch, zweiter Vorsitzender im Jugendhilfeausschuss, neu gestiftete Zusammenarbeit im RPJ, nicht gefährden. Der Verband habe einen Dornröschenschlaf hinter sich, sagt der CDU-Mann. „Dass es schon immer Knatsch gab, wenn es um neue Mitglieder ging, weiß ich noch aus meiner RPJ-Zeit. Doch da mischen wir uns nicht ein“, so Uhlenbruch. Er wolle den Verband näher an das Jugendamt rücken und dadurch ei­ne „höhere Verbindlichkeit“ schaffen. Schließlich gelte es, die politische Jugendarbeit auf neue Füße zu stellen: „Gerne mit dem RPJ.“

Erfolg auf Bundesebene

Jasper Prigge, Mitglied der Essener Linksjugend, hat auf Bundesebene gegen das Verteilverfahren für RPJ-Gelder geklagt – und das Bundesministerium für Jugend zum Vergleich bewegt. 2014 werden die RPJ-Bundesgelder anders vergeben, jede Gruppe kann sie beantragen.

Stimmen aus der (Jugend-)Politik

Jörg Uhlenbruch, Stellv. Vorsitzender im Jugendhilfeausschuss: „Der RPJ soll die politische Willensbildung junger Essener fördern.“

Jessica Roth, Vorsitzende der Jungen Union: „Wir erkennen undemokratische Tendenzen in der Linksjugend.“

Gerrit Wicker, Koordinator der Grünen Jugend: „Wir verzichten gerne auf einen Teil des Geldes zu Gunsten der Linksjugend.“

Anezka Hausmann, Vorsitzende Junge Liberale: „Man muss der Linksjugend die Chance geben, sich vorzustellen.“

Alexander Nolte, Vorsitzender Jusos in der SPD: „Ich halte es für verkehrt, die Linksjugend nicht mit ins Boot zu holen.“

Jules Jamal El-Khatib, Koordinator Linksjugend: „Das Demokratieverständnis der Jungen Union besorgt uns ein wenig.“