Christof Loy ist ein Star unter den deutschen Opern-Regisseuren. In Essen geboren, hat er aber noch nie am Aalto inszeniert. Am Sonntag ist es endlich soweit mit der selten gespielten Bellini-Oper „La Straniera“. Eine Begegnung.

Er hat schon in halb Europa gearbeitet, die Düsseldorfer Rheinoper war lange Zeit seine künstlerische Heimat, in Gelsenkirchen hat er vor 30 Jahren als Regieassistent erste Meriten gesammelt. Nur um seine Heimatstadt Essen hat Christof Loy bislang einen Bogen gemacht. Bewusst oder unbewusst, darüber will der gefeierte Regisseur gar nicht sprechen. Aber nun hat es gepasst – mit dem Aalto-Spielplan und mit seinem übervollen Terminkalender. Zwar ist es keine Neuproduktion geworden, für die müsste man Loy wohl Jahre im Voraus verpflichten. Aber mit der Bellini-Oper „La Straniera“ bringt Loy am Sonntagabend eine echte Rarität ins Opernhaus. Den Titel „Die Fremde“ darf man dabei wörtlich nehmen. Selbst Loy hat die Oper vorher noch nie auf der Bühne gesehen. Was Vorteile bei der Regie-Arbeit hat: „Sonst muss man die ganze Aufführungstradition erst mitdenken und wieder vergessen.“

Was der 51-Jährige immer mitdenkt, sind die Sänger. Ein Mitspracherecht bei der Besetzung gilt als Voraussetzung, um den Vielgefragten für eine Regie zu gewinnen. In Zürich, wo „La Straniera“ im letzten Sommer das Bühnenlicht erblickte, hat die große Edita Gruberova die Hauptfigur gesungen.

Folkwang-Student schon mit 14

Für Essen konnten Loy und Aalto-Intendant Hein Mulders die Sopranistin Marlis Petersen gewinnen. „Ein großes Glück“, sagt Loy, durch sie bekomme das Stück eine ganz eigene „nervöse Modernität“. Insofern werde aus „La Straniera“ durch die neue Besetzung natürlich auch eine andere Geschichte.

Aber was interessiert den einstigen Burggymnasiasten an dieser wendungsreichen und höchst eigenwilligen Story von der Fremden im Wald von ihrer großen Leidenschaft, von fatalen Missverständnissen und Toten, die am Ende wieder auferstehen? Christof Loy muss da nicht lange nachdenken. Für ihn ist diese Alaide immer noch eine faszinierende, eine heutige Figur. Eine Frau, die vermeintliche Gegensätze wie Stärke und Verletzlichkeit zusammenbringt und in ihrer Sehnsucht nach Liebe am Ende doch am unerbittlichen Schicksal scheitert. Und überhaupt hat er „La Straniera“ schon als Jugendlicher geliebt, in einer frühen Aufnahme mit Renata Scotto, „das hat mich umgehauen“.

Die Oper

„La Straniera“ basiert auf dem Roman „L’Etrangère“ Franzosen Charles-Victor Prévost d’Arlincourt. Musikalisch machte das Werk von Vincenzo Bellini wegen seiner stilistisch neuartigen Formen von sich reden.

Die Belcanto-Oper ist die erste Inszenierung von Christof Loy in seiner Heimatstadt Essen. Einmal hat er allerdings schon am Aalto gearbeitet. Gleich zur Eröffnung als Regieassistent bei Wagners „Meistersingern“.

In Sachen Opernleidenschaft war er ein Frühentwickler, mit 14 hat Loy an der Folkwang-Hochschule Opernregie studiert, als Abiturient bekam er bereits den renommierten Preis der Hochschule. Dass sich die Opernhäuser bald um ihn reißen würden, von München bis Stockholm, von Berlin bis Brüssel, das zeichnete sich rasch ab. Dreimal hat Loy bislang den Titel „Opernregisseur des Jahres“ bekommen. Gerühmt wird sein genauer Blick, seine musikalische Intelligenz, seine Kunst, schwere alte Stoffe mit einer frischen Eleganz und Vitalität auf die Bühne zu bringen, ohne sie mit dem Regietheaterhammer weichzuklopfen.

Loy ist kein Mann der starken Worte und vordergründigen Effekte. Zu seiner Arbeit gehört auch das tätige Abwarten, „bis der Vibrationsprozess beginnt“. Die Atmosphäre an einem Haus sei wichtig, sagt Loy. „Jeder muss erst mal das Gefühl haben, etwas riskieren zu können.“ Und empfindet er eine besondere Nervosität vor diesem späten Heimspiel? Der 51-Jährige überlegt kurz. „Ich habe mich schon gefragt, was das in mir auslöst. Aber ich versuche mich von dem Gedanken freizumachen. Alles andere wäre unprofessionell.“