Essen. . Beim „Speed Dating“ für Schulabgänger in der Philharmonie zeigt sich: Manche Essener Betriebe haben Probleme, geeignete Lehrlinge zu finden. Rechtschreibfehler im Anschreiben, unsicheres Auftreten – die Mängelliste ist lang. Personaler halten viele Kandidaten schlicht für unmotiviert.

Marvin Meinert sieht tadellos aus. 19 Jahre ist der junge Mann alt, er trägt ein blütenweißes Hemd und eine ordentliche Undercut-Frisur. Auch im Gespräch macht der Heinz-Nixdorf-Berufsschüler aus Rüttenscheid einen guten Eindruck. „IT war schon immer mein Steckenpferd“, sagt Marvin am Stand des Datenverarbeitungs-Unternehmens Prosoft. Marvin hat gute Chancen auf einen Ausbildungsplatz.

Doch der Schüler scheint eher untypisch für seine Generation. Wer mit den Unternehmern und Entscheidern spricht, hört viele Klagen über die Essener Jugend und ihre unfassbar schlechten Bewerbungen – trotz vieler kluger Kandidaten wie Marvin. Es sind Stimmen von der 3. Speed-Dating-Messe für Azubis der Industrie- und Handelskammer (IHK) in der Philharmonie.

„70 bis 80 Prozent der Bewerbungen sind schlecht“

Christoph Nolten vom gleichnamigen Bettengeschäft an der Hindenburgstraße ist selbst erst 25, hat aber schon seine Erfahrungen mit unmotivierten Bewerbern gemacht. „Wir verlangen keine großen Vorkenntnisse“, sagt er. „Manchmal muss man jedoch nur fünf Sekunden auf eine Bewerbungsmappe schauen, bevor man sie in die Ecke pfeffert.“ Lauter Rechtschreibfehler, falsche Grammatik. „70 bis 80 Prozent der Bewerbungen sind schlecht“, so Nolten, der glaubt, viele meldeten sich nur auf Druck der Arbeitsagentur. Jedoch: Je älter die Kandidaten seien, desto besser wüssten sie sich zu verkaufen. Das Bettengeschäft stellt deshalb in der Regel keine Realschul-Absolventen ein – die seien einfach noch zu jung.

„Die Qualität der Bewerbungen nimmt seit ein paar Jahren ab“, sagt Andrea Beckmann, Inhaberin eines Landschaftsbau-Betriebs in Leithe. Das liege auch daran, dass Unternehmen um die guten Kandidaten kämpfen müssten, „die Bewerber haben mittlerweile eine bessere Position als die Arbeitgeber“. Auch Christoph Nolten glaubt: „Gescheite Bewerber haben heute zwei, drei Stellen zur Auswahl. Das gab es vor zehn Jahren noch nicht.“ Er spricht von einem echten Konkurrenzkampf zwischen den Betrieben. Nutznießer sind mitunter die Azubis. Das Bettengeschäft etwa lockt Interessenten mit einem Gehalt über Tarif sowie Urlaubs- und Weihnachtsgeld.

Immerhin: Trotz aller Klagen finden die Unternehmen nach wie vor geeignete Azubis. Maria Stümpfel, Personalentscheiderin beim Sheraton-Hotel, erzählt von einem jungen Mann, der im Vorstellungsgespräch so ziemlich alles falsch machte: „Der hat eine sehr schlechte Performance abgeliefert, hat Augenkontakt vermieden und während des Gesprächs ständig aus dem Fenster geschaut.“ Sie habe ihm trotzdem zu einem Praktikum verholfen. „Heute ist er einer meiner besten Azubis.“