Der schwarze Kinderwagen steht noch im Flur des Fünf-Parteienhauses im Gelsenkirchener Stadtteil Resser Mark. Es ist der Kinderwagen, in dem die ermordete Madeleine W. bis zum 11. Februar ihre zweijährige Tochter setzte. „Unfassbar, am Tag ihres Verschwindens ist sie morgens noch hier vorbeigekommen“, sagt ein Nachbar mit grau-meliertem Haar.

Die 23-Jährige, die allem Anschein nach von ihrem Stiefvater Günter O. (47) und ihrem Halbbruder (21) ermordet und einbetoniert wurde, „sie war nett und freundlich“, sagt der Rentner. Und der Leiter des Jugendamtes Gelsenkirchen nennt Madeleine „eine liebevolle Mutter“ (siehe Artikel unten). Ein Psychologe urteilte: Die Frau, die ihren Stiefvater und Vater ihres Kindes beschuldigte, sie sexuell missbraucht zu haben, sei glaubwürdig. Das Gutachten hatte die Staatsanwaltschaft während der einjährigen Ermittlungen gegen O. in Auftrag gegeben. Das hat Oberstaatsanwältin Birgit Jürgens inzwischen bestätigt.

Die Konflikte in der Familie waren auch Dauerthema bei den Verwandten der Familie in Kamenz (Sachsen). Dort waren das Opfer und ihre mutmaßlichen Mörder vor vier Jahren weggezogen. Madeleines Tante, ihr Onkel und ihre Großmutter leben noch immer dort. Zum neuen Ehemann ihrer Schwester und zu den Mord- und Missbrauchsvorwürfen gegen ihn, sagte die Tante der Sächsischen Zeitung: „Zuzutrauen wäre ihm einiges. Unsere Familie war wegen dieses Mannes jahrelang zerstritten. Wir hatten deswegen kaum Kontakt mit meiner Schwester.“

Der Beschuldigte stammt ursprünglich aus Österreich, zog 1991 nach Sachsen und heiratete Madeleines Mutter 1994. Er saß schon einmal im Gefängnis, war wegen eines Banküberfalls in Österreich verurteilt worden. Schon damals soll er nach der Tat nach Essen geflohen sein.

„Ich kann es immer noch nicht glauben, was da passiert ist. Unsere Gedanken sind in diesen schweren Stunden bei meiner Schwester“, sagte Madeleines Tante. Mehr bringt sie nicht heraus. Die Erinnerung an ihre tote Nichte treiben ihr die Tränen in die Augen. „Sie war ein ganz liebes Mädel.“ Madeleines Oma weiß nichts vom Schicksal ihrer Enkelin: „Unserer Mutter können wir die ganze Wahrheit gar nicht erzählen. Sie ist bereits 81 Jahre, sie würde die Welt nicht mehr verstehen.“

In der 15.000-Einwohner-Stadt, in der Madeleine W. Kindheit und Jugend verbrachte, erinnern sich viele Menschen an sie: „Wir hatten schöne Zeiten und ich bin froh, dich damals kennengelernt zu haben“, schreiben Freunde auf Facebook. Oder: „Unsere Clique war die beste, wir haben unsere Kindheit mit ihr verbracht … und jetzt das …“. Virtuelle Kerzen werden für die junge Mutter angezündet, Gleichaltrige erinnern sich an kleine Episoden, die sie mit ihr erlebt haben. Auf Youtube hat Nutzer „Seek MC“ ein Video veröffentlicht, er rappt ein Abschiedslied, blendet ein: „In Liebe deine Freunde.“