Essen. . Die Essener Hebamme Brigitte Bremer sieht das komplette Berufsbild der Geburtshelferin in Gefahr. Obwohl der Bedarf sichtlich steigt.

In Rüttenscheid gibt es keine Straße mehr, in der Brigitte Bremer nicht schon ein Kind auf dem Weg aus dem Bauch seiner Mutter hinaus begleitet hätte. Doch wie lange die 54-jährige Hebamme ihrem Traumberuf noch nachgehen kann, das steht zur Debatte.

Schon 2009 hat sie ihre Haftpflichtversicherung reduziert und sich damit wie viele ihrer Kolleginnen gezwungenermaßen gegen die Geburtshilfe entschieden. Heute darf sie Schwangere ausschließlich bei Vor- und Nachsorge betreuen. Die Versicherungsbeträge explodierten und die Hebamme konnte es sich schlichtweg nicht mehr leisten , Kinder auf die Welt zu bringen. 2001 habe sie noch 125 Mark für ihre Versicherung gezahlt, mittlerweile seien es 5000 Euro. Dabei müssten Versicherungen gerade einmal bei drei Prozent der Geburten eintreten, so Bremer. Gleichzeitig helfe die intensive Vorbereitung Komplikationen zu vermeiden.

Heute leitet die zweifache Mutter das Rüttenscheider Hebammenteam im Beginenhof, wo sie Kurse für Geburtsvorbereitung, Ernährungsberatung oder zur Rückbildung anbietet. „Eine Geburt, das ist einfach das Größte für eine Hebamme“, sagt Brigitte Bremer. „Und genau das darf ich nicht mehr machen“. Die Entscheidung sei ihr damals sehr schwer gefallen. Doch nicht nur die Hebammen leiden unter ihrem eingeschränkten Einsatz. Werdende Mütter müssen immer häufiger bei der Geburt auf ihre vertraute Hebamme verzichten und sich stattdessen von einer unbekannten Geburtshelferin betreuen lassen, wenn’s ernst wird. „Wir bauen natürlich immer ein großes Vertrauen zu den Frauen auf“. Kürzlich habe eine junge Mutter ambulant entbunden. „Danach wollte sie sofort wieder von mir betreut werden“, erzählt Bremer.

Mittlerweile sieht Brigitte Bremer jedoch ihr komplettes Berufsfeld in Gefahr. Denn mit dem Rückzug der drittletzten Versicherung von 151 in Deutschland sei es nun nur noch eine Frage der Zeit, bis es für Hebammen überhaupt keinen Versicherungsschutz mehr gebe – egal ob angestellt oder freiberuflich tätig. „Dann könnte ich nicht einmal mehr die Vor- und Nachsorge machen“, erklärt Brigitte Bremer. Die Hebamme hofft darauf, dass der Staat die fehlende Versicherung mit einem Fonds auffangen könnte. Dass eine Lösung gefunden werden muss, ist klar. Denn ohne Versicherungsschutz keine Hebammen und ohne Hebammen keine Geburten. „Es ist vielleicht nicht allen bewusst, aber eine reguläre Geburt muss von einer Hebamme geleitet werden“, erklärt Bremer. Ein Arzt dürfe Kinder ausschließlich per Kaiserschnitt zur Welt bringen. Nach ihrer Einschätzung sei man seit Jahren dabei, den Berufsstand abzubauen. „Vielleicht sind wir einfach politisch nicht erwünscht. Immerhin sind unsere Leistungen ein Kostenfaktor für die Krankenkassen.“ Viele ihrer Kolleginnen in Essen seien ebenfalls aus der Geburtenhilfe ausgestiegen. Aber auch die Anfragen nach Vor- und Nachsorge können die knapp 200 Hebammen in Essen bei knapp 5000 Geburten pro Jahr kaum leisten. „In Rüttenscheid können wir den Bedarf kaum decken und die Kolleginnen in Steele, Überruhr und Burgaltendorf kommen auch kaum nach“, weiß Brigitte Bremer. Umso mehr spitzt sich die Debatte zu, wie die Zukunft des Berufsbild Hebamme aussehen wird.