Essen. . Im Jahre 1516 wurden in Rellinghausen Hostien gestohlen. Kurz danach fand man sie wieder – am Fundort baute man deshalb die Annenkapelle. Noch heute erinnert jährlich ein Fest daran. Der Bau zíeht leider auch Vandalen an. Ein Ortsbesuch.

Es ist still im Annental. Die Geräusche der nahe gelegenen, viel befahrenen Rellinghauser Straße werden bereits nach ein paar Schritten vom aufziehenden Nebel verschluckt. Mächtige Bäume säumen die Straße St. Annental, die hinab zur Ruhr führt.

Sie ähnelt einem Hohlweg, ist allerdings künstlich entstanden. Denn die Hügel links und rechts, die keinen Platz für eine Bebauung lassen, sind aufgeschüttete Halden der einstigen Zeche Langenbrahm.

Halden der Zeche Langenbrahm

Nach knapp hundert Metern lichtet sich plötzlich das hügelige Dickicht und der Blick fällt auf eine tiefe grüne Mulde. Mitten auf der Wiese steht, wie aus einer fernen Welt zufällig hier gelandet, die kleine Annenkapelle. Die Kohlenhalden halten zwar gebührenden Abstand, doch umgeben sie das 1707 erbaute Kirchlein wie einen Schutzschirm.

Trotzdem wird der Spaziergänger, der zufällig vorbeikommt, magisch angezogen. Liegt es an dem ungewöhnlichen Ort oder an der schlichten und doch schönen Gestalt der Kapelle? Selbst an trüben Tagen leuchtet der helle Sandstein, der für den Bau gebraucht wurde. Farblos scheinen die sechs hohen Bogenfenster aus milchigem Glas, die im unverputzten Mauerwerk eingelassen sind.

Entstehung ist mit einer Legende verbunden

Vor dem hölzernen Hauptportal führen verwitterte Stufen auf ein steinernes Plateau. Zu welchem Zweck es errichtet wurde, erfährt, wer sich mit der Geschichte der Annenkapelle auseinandersetzt. Denn ihre Entstehung ist mit einer Legende verbunden: Demnach wurden am 25. Juli 1516, am Fest des heiligen Jakobus, Hostien aus der nahe gelegenen großen Rellinghauser Stiftskirche – der heutigen Pfarrkirche St. Lambertus – gestohlen und wie durch ein Wunder Gottes am nächsten Tag von einem Hirten wieder aufgefunden. Am Fundort wurde aus Dankbarkeit nicht nur die Annenkapelle errichtet, dort wird auch jedes Jahr mit einem Fest an das Hostienwunder erinnert.

Seitdem wird das stille Tal einmal im Jahr aus seinem Dornröschenschlaf erweckt, ziehen hunderte Gläubige in einer Prozession vor die Kapelle, wo der Priester den Altar im Freien – auf eben diesem Plateau – aufgebaut hat.

Mai-Andachten und Hochzeiten

Als die Gemeinde noch größer war und der Kirchgang zum täglichen Leben gehörte, wurden sonntags noch Gottesdienste in der Annenkapelle abgehalten. Das ist lange her. Inzwischen beschränkt sich die Nutzung des Gotteshauses auf Mai-Andachten und Hochzeiten. Gerne würden die Freunde und Förderer des Annentalfestes, die sich um den Erhalt ihrer Kapelle kümmern, die Türen öfter unverschlossen lassen, damit der Spaziergänger auch einen Blick ins Innere werfen kann. Dort gibt es zwar nichts Spektakuläres, aber auf dem farbig bemalten Holzaltar findet sich die Geschichte des Hostienwunders wieder.

Doch Vandalismus, der zunimmt, macht das unmöglich. So müssen auch die wenigen Pilger, die auf dem Jakobsweg an der Annenkapelle vorbeikommen, auf ihren Stempel verzichten.

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