Dieses Jahr könnte es doch noch einen späten Winter geben für die Natur in den über 700 Grünflächen und Parks zwischen Kettwig und Karnap. Ausgerechnet im Bewerbungsjahr zur Grünen Hauptstadt Europas steht Essen vor verblühenden Landschaften: Die finanzielle Decke bei Grün & Gruga ist längst zu kurz geraten, das Minus am Jahresende verfehlt zum wiederholten Male das Soll, 2015 will die Stadt die Zuweisungen weiter kürzen. So sehen sich auch die knapp 500 städtischen Grünpfleger in den Strauß der städtischen Töchter eingebunden, die im Laufe der Sparjahre alle Ecken dreimal ausgemistet, die Eigenkapital und Rücklagen weitestgehend aufgezehrt haben. Nach den Sport- und Bäderbetrieben und der Theater und Philharmonie steht Verwaltung und Politik hier die nächste Finanzdiskussion ins Haus (siehe auch Lokalseite 3). Dieses Jahr werde man noch irgendwie über die Runden kommen, heißt es bei Grün & Gruga, aber die Vorgaben des Kämmerers für 2015, seien schlicht nicht zu erreichen: „Das ist nicht zu schaffen.“
Dabei lässt sich Essen sein Grün gerade einmal 0,9 Prozent des Haushalts kosten. Rund 20,1 Millionen Euro überweist die Stadt für 2014, für die von Krankheiten massenhaft befallenen Straßenbäume gibt es noch einmal einen 1,8-Millionen-Nachschlag – aber das war es dann auch. Für 2015 sieht der Haushaltsplan nur noch 17,8 Millionen Euro vor. Das Geld reicht vorne und hinten nicht, was auch kaum verwundert: Seit 2002 sind Essens Grünflächen mit den vielen „Wegen zum Wasser“, mit den Radwegen, mit Grünzonen wie dem Park im Uni-Viertel, dem Krupp-Park oder dem entstehenden Niederfeld-See um 90 Hektar gewachsen, der jährliche Zuschuss aber um acht Millionen Euro gesunken. Grün & Gruga setzte dagegen einen beinharten Sparkurs: Die Planstellen werden schon seit Jahren nicht mehr ausgeschöpft, von 529 Arbeitsplätzen sind tatsächlich gerade einmal 487 besetzt. Der Altersdurchschnitt der Belegschaft liegt mittlerweile bei 50. Dies und die seit Jahren hohe körperliche Belastung schlagen auf den Krankenstand durch. Und dennoch: mit 5,50 Euro pro Einwohner hat Essen mittlerweile die niedrigsten Grünpflegekosten aller Kommunen in Nordrhein-Westfalen. Aber was hilft’s?
Das Minus zehrt die Rücklagen für Investitionen auf, das Eigenkapital, meist in Grundstücken angelegt, schmilzt wie Butter in der Sonne: Das Gemeindeprüfungsamt NRW kritisiert in seinem Jahresbericht zum wiederholten Male „die unzureichende Finanz-/Eigenkapitalausstattung von Grün & Gruga“ und sieht hier „dringenden Handlungsbedarf“. Die Stadt müsse die finanzielle Situation verbessern. Doch weder der Wirtschafts- noch der Finanzplan sehen dafür eine Position vor. Etwas resignierend heißt es lediglich: „Der Einsatz von Grundstückserlösen muss ab 2015 neu überdacht werden, da die bisherige Größenordnung nicht mehr realistisch ist.“
Auf die Folgen der prekären Finanzlage hat die zuständige Umweltdezernentin Simone Raskob bereits in der letzten November-Sitzung des Stadtrates hingewiesen. Im Spannungsfeld aus Einsparungen, Flächenzuwachs, gestiegener Bedeutung des Grüns in der Stadtentwicklung und schrumpfender Mitarbeiterzahl sei das „Optimierungspotenzial“ ausgeschöpft: „Dies alles führt zu einer reduzierten Qualität in der Grünpflege, wir könnten uns nur noch auf die bloße Verkehrssicherung konzentrieren.“
Und selbst die ist in Gefahr: Soweit derzeit erkennbar, wird sich der Aufwand für Kontrolle und Pflege der vielen tausend Straßenbäume auch in den nächsten Jahren nicht verringern: „Bei den vorgesehenen Kürzungen im Personalbereich und bei der Vergabe an Fremdfirmen wird es ab 2015 äußerst schwierig, selbst die vorgesehenen Pflichtaufgaben zu erfüllen“, schreibt Grün & Gruga in der Ratsvorlage. Denn während in diesem Jahr noch Aufträge für 8,6 Millionen Euro vergeben werden, sollen es 2015 nur noch sechs Millionen sein.
Es ist aber auch eine Krux: Um das Jahr für Jahr anfallende Minus von über einer Million Euro bei den Friedhöfen und dem Krematorium zu verringern, müssten eigentlich die Gebühren angehoben werden. Doch lässt sich die am umkämpften Bestattungs-Markt nicht durchsetzen. So kommt es Jahr für Jahr zu einer Verlustfortschreibung, das Eigenkapital sinkt weiter, der Kassenbestand bleibt negativ.
Immerhin, das unendliche Drehen an der Sparschraube hat die Politik aufgeschreckt: Rolf Fliß, umweltpolitischer Sprecher der Grünen, sieht das Ende der Fahnenstange erreicht: „Wir brauchen für 2015 eine Korrektur, Grün & Gruga hat praktisch alle Reserven aufgezehrt. Wenn wir hier nicht eingreifen, gefährden wir das Erreichte, dann müssen wir uns von Qualität verabschieden.“ Die Linken immerhin haben dem Grün-Wirtschaftsplan 2014 erst gar nicht zugestimmt: Ratsfrau Janina Herff gab zu Protokoll, dass der Plan kein seriöses Konstrukt sei, „da die aufgeführten Konsolidierungsaufgaben nicht umsetzbar sind“. Immerhin, an einer Stelle will die Stadt nun nachbessern: Aus dem Haushalt des Tiefbauamtes sollen 1,2 Millionen Euro für die Sanierung von Spielplätzen bereitgestellt werden. Ein paar Schlaglöcher werden es den Kindern verzeihen.