Essen. Röcheln, Räuspern oder Würgeanfall: In Konzerten und Opern stören Geräusche Besucher, Künstler und Betroffene. Der Essener Hals-Nasen-Ohren-Arzt Jürgen Lamprecht veröffentlicht Strategien und hat die Initiative Hustenkultur ins Leben gerufen.

„Entschuldigen Sie, ich muss vielleicht ein wenig husten und möchte weit hinten sitzen; möchten Sie Ihren Platz mit mir tauschen und sich nach vorne setzen?“ Wer demnächst in der Oper mit der Bitte konfrontiert wird, der kann sicher sein: Dieser Besucher hat die Internetseite von Jürgen Lamprecht gelesen, auf dieser stehen Strategien zum rücksichtsvollen Husten.

Hustenkultur heißt die Initiative des Rüttenscheiders, der dazu beitragen möchte, dass es weniger Störungen in Konzerten gibt. Rascheln und Handyklingeln gehören dazu. Am häufigsten aber Husten, sagt der 62-Jährige, der überzeugt ist, dass es neben Ess-, Streit- oder Gesprächskultur, eben auch eine Hustenkultur gibt.

Aus Rücksicht den Saal verlassen

Hinter seiner witzigen Geschichte, wie er sie nennt, steckt aber nicht nur viel Augenzwinkern, sondern gleichsam medizinisches Wissen. Jürgen Lamprecht ist Arzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, war lange Chefarzt im Krupp-Krankenhaus und lehrt als Professor an der Uni Düsseldorf. „Wer hustet, hat seinen Grund“, sagt er und will den Menschen keinesfalls mit erhobenem Zeigefinger begegnen. Vielmehr möchte er Hustern mit Verständnis und viel Humor helfen, sagt Lamprecht, der privat regelmäßig um den Baldeneysee läuft und manchmal auch Marathon.

Mit seiner Internet-Seite beschäftigt sich der Vater einer siebenjährigen Tochter nun jeden Abend. Etwa mit seinem Husten-Knigge und den Strategien wie dem Platztausch (siehe oben). Der gilt als eine Möglichkeit bei geringem Hustenrisiko, bei dem man auf Gäste zugeht, die auf den hinteren, äußeren Plätzen sitzen. Wer dann vom Husten überrascht wird, verlässt den Saal, sagt Lamprecht und setzt damit auf die Rücksicht. Stören können übrigens auch Knoblauch-Fahne, zu viel Parfüm und Hochsteckfrisur.

Konzert-Noten für die Behustung

Jürgen Lamprecht bindet mit den Hustenkultur-Events das Publikum ein. Das gibt auf der Internet-Seite Noten: 1 für sehr wenig Huster, 6 = Katastrophe.

Das Konzert in der Philharmonie, Riccardo Muti & Chicago Symphony Orchestra (16. Januar) erhielt: A-Note 1,0 für den künstlerischen Gesamteindruck und B-Note 2,24 für die Behustung. Das nächste Hustenkultur-Event: Opern-Premiere La Straniera im Aalto-Theater am 2. März.

Bürger können Karikaturen oder Bilder zum Thema schicken: beitrag@hustenkultur.de, www.hustenkultur.de

Bei Infekten zuhause bleiben

Bei Hustenreiz gilt: unterdrücken. „Wem das nicht gelingt, der sollte zumindest Rücksicht nehmen.“ Am besten vor Beginn aushusten oder auf laute Musik oder dröhnenden Applaus warten. Wer das Stück nicht kennt, sollte dafür zuvor das Programmheft studieren. Wer dennoch während ganz leiser Passagen (pianissimo) husten muss, der soll das bitte leise – am besten in die Ellenbeuge – tun. „Auch ein dickes Taschentuch dämpft ungemein“, sagt Lamprecht und fügt schmunzelnd hinzu: „Wer trotz aller Bemühungen husten muss, sollte im Takt husten - immer auf der Eins.“

Und dann fügt der Arzt durchaus ernst hinzu: „Wer einen Infekt hat, bleibt zu Hause.“ Schon allein wegen der Ansteckungsgefahr. Über weitere Ursachen für Husten können sich Leser auf der Seite ebenfalls informieren: Wer sie aber abklären lassen will, müsse zum Arzt. „Er muss ja nicht zu mir kommen“, sagt Lamprecht wieder lachend.

Gibt es keine vorsätzlichen Hardcore-Huster?

Mit Humor und großem Interesse hätten Freunde und Bekannte seine Hustenkultur bislang aufgenommen. Die Künstler mit Dankbarkeit. Denn nicht nur von seiner Frau, die viele Jahre als Opernsängerin auf der Bühne stand, weiß Lamprecht, wie sehr die Geräusche aus dem Publikum auch sie stören, manchen gar verunsichern.

Jürgen Lamprecht will sensibilisieren und ist überzeugt, das Publikum wird achtsamer werden. Sein Wunsch: Hustenkultur-Karten in den Foyers, zunächst im Aalto-Theater und der Philharmonie, später auch in Hamburg, Wien oder Salzburg. Das soll über soziale Netzwerke im Internet gelingen. Sein Traum: weniger Störungen durch Huster. An Hardcore-Huster, die vorsätzlich stören, glaubt Lamprecht ohnehin nicht.

Wenn er nun jemanden im Konzert husten hört, dann, so versichert er, „mache ich nichts!“ Niemand müsse grimmige Reaktionen von ihm fürchten. Er hingegen, da er nun vielen von seiner Initiative berichtet hat, werde genau beobachtet, sagt der Inhaber eines Opern-Abos. Und ja, auch er hatte einmal einen Hustenanfall während eines Konzerts, ist sich aber sicher: „Das hat niemand gemerkt.“