Die Absage der geplanten Balthus-Ausstellung durch das Museum Folkwang hat für erheblichen medialen Wirbel gesorgt – dabei hatten die Verantwortlichen genau das verhindern wollen. „Wir wollten keine Kinderporno-Diskussion“, sagt Tobia Bezzola nun gegenüber der „Bild“-Zeitung. Offenbar hatte der Museums-Chef die Sprengkraft des Themas grob unterschätzt.

Keineswegs sei es ihm um einen Skandal gegangen, sagt Bezzola, der die Schau selbst kuratieren wollte. Vielmehr habe er anhand der Balthus-Bilder das „Verhältnis von Fotografie und Malerei“ verhandeln wollen. In hohem Alter war Balthasar Kłossowski de Rola – genannt Balthus – nicht mehr in der Lage zu malen und griff stattdessen zum Fotoapparat. Ihn habe nun interessiert, wie der Maler mit der Polaroid-Kamera den Zeichenstrich führte, so Bezzola.

Doch was er neutral Skizzen nennt, halten Jugendschutz-Experten für problematisch: Zu sehen ist auf den Polaroids das Mädchen Anna Wahli, das dem Künstler bereits mit acht Jahren Modell saß; zum Teil nicht bekleidet und in zweideutigen Posen. Erst nachdem „Die Zeit“ die Fotos als Dokumente einer pädophilen Gier bezeichnet und dem Museum zweifelhafte Motive vorgeworfen hatte, konsultierte Folkwang das Jugendamt – und sagte die Schau danach wegen möglicher „juristischer Konsequenzen“ ab. Klammheimlich.

Genutzt hat die Heimlichtuerei wenig: Als die NRZ am Dienstag über die Absage berichtete, brach die Pädophilie-Debatte doch los. Selbst in Frankreich diskutiert man über den Umgang mit Balthus, der deutsch-polnische Wurzeln hat und in Paris geboren wurde. Von Zensur schreibt „Libération“ und tut sich schwer mit der strengen Haltung der deutschen Behörden. Irritiert darüber zeigt sich auch Bezzola: „Vielleicht war es etwas naiv von mir, nicht zu erkennen, wie heikel und brisant das Thema in der deutschen Gesellschaft behandelt wird.“ Balthus’ Gemälde seien ja weltweit gezeigt worden, auch in Deutschland. Wie strikt man aber die „poussierende fotografische Darstellung“ Minderjähriger ahnde, habe er erst vom Essener Jugendamt gelernt, das den Schutz des Kindes hier offenbar stets über die Kunstfreiheit stelle.

Man mag dem Schweizer Bezzola die Unkenntnis im Fall des deutschen Jugendschutzes abnehmen. Im Interview mit WDR 3 erklärt er indes, es habe ihn auch überrascht, dass Balthus hierzulande als umstritten gelte – dabei sei er doch ein Klassiker der Malerei des 20. Jahrhunderts. Mag sein; gleichzeitig ist sein Werk immer diskutiert worden, auch im Ausland. Erst 2013 brandete die Debatte erneut auf, als die Balthus-Schau in New York lief.

Auch in der „Neuen Zürcher Zeitung“ war von der teils großen Empörung zu lesen, von der „heiklen Natur“ der Bilder, die den Blick des Betrachters „direkt zwischen die Beine lenken“. Wohl nicht zufällig trug die Ausstellung den Untertitel „Paintings and Provocations“: Gemälde und Provokationen.