Essen. . Drama um die kleine Marni: Das einjährige Mädchen ist schwer krank und braucht eine Spenderleber, um zu überleben. Die Mutter erklärte sich zur Lebendspende bereit. Doch das Uniklinikum Essen will das zunächst nicht genehmigen - aus Fürsorgepflicht für die Mutter.
Marni ist gerade mal ein Jahr alt. Doch sie ist schwer krank: Ihre Gallenwege sind verstopft, die Gallenflüssigkeit kann also nicht abfließen – ein Prozess, der ein anderes, lebenswichtiges Organ schädigt: die Leber. Marni braucht eine Spenderleber, um zu überleben. Ihre Mutter Chantal (25) will einen Teil ihrer Leber spenden. Nach Medienberichten hätten die Ärzte des Uniklinikums Essen das nicht genehmigt. Dieser Vorgang hat Schlagzeilen produziert – doch die Klinik sagt, sie habe ihre Gründe.
„Eine Lebendspende ist – gerade im Fall einer Leberspende – für den Spender nicht ohne Risiko. Daher hat der Gesetzgeber enge Grenzen für die Zulassung einer Lebendspende gesetzt: Jeder Einzelfall ist durch eine Transplantationskonferenz genauestens zu prüfen und differenziert unter Einbeziehung aller Aspekte zu bewerten“, so die Stellungnahme der Klinik.
Seit der Geburt ist Marni krank
Schon kurz nach der Geburt haben die Ärzte festgestellt, dass das Kind schwer krank ist. Dann, im September 2013 wurde es auf die Dringlichkeitsliste gesetzt. Ohne Erfolg. Die besorgten Eltern wollten selbst aktiv werden. „Die Mutter hat einer Lebendspende zugestimmt“, so Prof. Eckhard Nagel, Ärztlicher Direktor des Essener Universitätsklinikums. „Wir haben genau überprüft, ob eine Lebendspende in Frage kommt.“ Doch weil der Zustand des Kindes noch nicht lebensbedrohlich war, und es Hoffnung gab, ein Spenderorgan zu erhalten, habe man zunächst abwarten müssen.
Prof. Eckhard Nagel ist auch Mitglieder der „Transplantationskonferenz“, die über das Für und Wider von Transplantationen entscheidet. „Unser erstes Ziel ist, dass wir ein postmortales Spendeorgan für das Kind erhalten.“ Das bedeutet: Ein Organ eines Verstorbenen, der a) über die gleiche Blutgruppe und weitere Übereinstimmungen des Gewebes verfügt – und b) über einen Organspendeausweis.
Genau das aber sei die Herausforderung: Die Wartezeit für ein Organ kann lang sein. „Ein halbes Jahr oder sogar ein Jahr“, sagt Nagel. Zur Transplantation würden dann Teile einer Erwachsenenleber genutzt.
Jede Operation ist ein Risiko
Warum die Transplantationskonferenz, die aus Experten wie Kinderärzten, Chirurgen, Internisten, Fachleuten für Psychosomatik und dem Ärztlichen Direktor Prof. Nagel besteht, nicht sofort auf die Lebendspende setzt, hat Gründe. Nagel: „Man muss das sehr verantwortlich angehen. Es gilt auch die Unversehrtheit des Spenders zu bedenken. Bei der Lebendspende der Leber handelt es sich um eine größere Operation am Oberbauch. Wir müssen also die gesunde Person operieren – mit einem Risiko, das auch, wenn es noch so klein ist, in einer möglichen Komplikation besteht. Zudem benötigt der Spender vier bis acht Wochen Zeit, um sich zu regenerieren.“
Die Leber allerdings erhole sich dann wieder vollständig. Die Teile, die transplantiert werden, wachsen wieder nach.
Marnis Mutter hat noch zwei Kinder zu betreuen, sie sind drei und fünf Jahre alt. Würde die Mutter operiert, könne sie sich anfangs nur wenig um sie kümmern, so ein Argument der Ärzte, die Lebendspende zunächst zurückzustellen.
Gesundheitszustand des Kindes wird kontinuierlich überprüft
„Wir haben dieses Angebot ja keinesfalls grundsätzlich abgelehnt“, so Nagel. „Es bleibt für uns auf jeden Fall als Möglichkeit erhalten.“ Das Leben des Kindes sei durch das Warten auf ein übliches Spenderorgan nicht in Gefahr: „Wir tun alles, damit es dem Kind gut geht und überprüfen den Gesundheitszustand kontinuierlich“, so Nagel, der die Lebendspende als sehr gute Möglichkeit der Hilfe betrachtet. „Ich als Vater würde das für mein Kind auch tun wollen.“
Verschlechtert sich die gesundheitliche Situation der Patienten, überprüft die Transplantationskonferenz den jeweiligen Fall kurzfristig erneut und leitet ihn nach der Zustimmung unmittelbar an die Kommission „Transplantationsmedizin“ der Ärztekammer Nordrhein weiter, heißt es weiter im offiziellen Schreiben der Klinik. Dieser Schritt ist vom Gesetzgeber vorgeschrieben.
Bülent Erdogan-Griese von der Ärztekammer Nordrhein sagt, dass die Kammer allerdings nicht als übergeordnete medizinische Instanz arbeite: „Bei uns wird allein geprüft, ob die Spende wirklich freiwillig geleistet wurde und dass kein illegaler Handel betrieben wird. Das andere entscheiden die Ärzte.“