Essen. . Nach Wochen des Schweigens veröffentlichten die Behörden gestern neue Details im Vermisstenfall um Pierre: Spürhunde führten die Ermittler bis in die holländische Metropole Amsterdam. Eltern des 21-Jährigen setzen nun eine Belohnung aus.

„Es fühlt sich manchmal so an, als ob sich die Erde auftut und einer ist weg.“ Kriminalhauptkommissar Ralf Menkhorst steht vor einem Rätsel, dessen Auflösung er ganz nahe sein mag. Doch fehlt ihm das letzte, das entscheidende Packend, um den Vermisstenfall des geistig behinderten Pierre Pahlke lösen zu können. Dabei sind der Leiter einer Ermittlungskommission bei der Essener Polizei und dessen Kollegen schon weit gekommen: bis nach Amsterdam.

Dorthin, so vermutet Menkhorst inzwischen, könnte der 21-Jährige, der am 17. September das letzte Mal von Passanten auf einem Supermarkt-Parkplatz in der Nähe seines Frillendorfer Wohnheims gesehen wurde, verschleppt worden sein. Allein, so viel steht fest, hätte es Pierre so weit nie geschafft. Dafür sei sein Radius zu klein. Aus der „Heimstatt Engelbert“ mal eben rüber zu „Trink gut“, „Netto“ oder „Penny“ und zurück laufen – das war noch so eben drin und „das waren seine festen Wege“. Er war eben keiner, „der draußen rumläuft und sich ansprechen lässt“, sagt der Ermittler. So einer soll mutterseelenallein bis nach Amsterdam kommen? Unmöglich, meint der Kripomann, der gestern nach Wochen des beharrlich-behördlichen Schweigens die Anstrengungen schilderte, die die Polizei unternahm, um Pierre vielleicht doch noch zu finden, nachdem eine Durchsuchung einer Wohnung ganz in der Nähe des Behindertenheims und die zwischenzeitliche Festnahme eines 46 Jahre alten Verdächtigen zu nichts geführt hatten. In der Wohnung konnten keine Spuren Pierres gefunden werden. „Was aber nicht heißt, dass er vielleicht nicht doch dort war“, sagt Menkhorst. Alle Beweismittel seien schließlich noch nicht ausgewertet.

Während die eine Spur in Richtung Hoffnung enttäuschend an der Hubertstraße endete, fanden die Ermittler nur wenige hundert Meter weiter eine neue, eine, die Grenzen überschreiten sollte: So genannte Mantrailer-Hunde, die bereits Anfang November an der A 40 in Frillendorf auf Pierres Spur angesetzt worden waren (die NRZ berichtete), führten die Ermittler in den Wochen darauf mit Erlaubnis der niederländischen Behörden bis ins Rotlichtmilieu der holländischen Metropole. Dort schlugen sie an. „Ich glaube an diese Hunde“, sagt Menkhorst. „Ihr Anzeigeverhalten“ sei ein Hinweis darauf, dass der junge Mann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in der fremden großen Stadt war. Wann? „Die Spur ist relativ frisch“, meint Menkhorst, der kaum mehr weiß. Wie Pierre dort hingekommen ist, unter welcher Adresse genau er sich in Amsterdam aufgehalten haben könnte, das alles bleibt weiterhin im Dunkeln. Wie so vieles andere.

Für Staatsanwältin Elke Hinterberg sind „die Hunde deshalb das bisher einzig positive Beweismittel“ in der Vermisstensache Pierre Pahlke, die sich möglicherweise zu einem Verbrechen auswächst. „Wir müssen davon ausgehen, dass er Opfer eines Kapitaldelikts geworden sein könnte“, sagt Hinterberg. Die vergangenen Monate waren nicht enden wollende Wochen des Hoffens und Bangens für die Eltern des 21-Jährigen. Sie wollen einfach Klarheit haben. Wie Menkhorst weiß, haben sie inzwischen eine Belohnung in Höhe von 10.000 Euro für Hinweise ausgesetzt, die zu ihrem verschwundenen Sohn führen.

Um den entscheidenden Hinweis am Ende doch noch zu bekommen, setzen die Ermittler einmal mehr auf die Hilfe der Öffentlichkeit. Während gestern die Staatsanwaltschaft und die Polizei in Essen die Details ihrer bisherigen Suche mit Hunden, Hubschrauber und Hundertschaften zwischen Hubertstraße und Heintje Hoekssteeg darstellten, startete die holländische Polizei ebenfalls eine Fahndung über Fernsehen und Internet. Vielleicht, sagt Menkhorst, machen sich Pierres Eltern auch selbst nach Amsterdam auf, um dort Hilferufe auf Handzetteln mit dem Konterfei ihres Sohnes zu verteilen, so wie sie es in Essen schon getan haben.

Und es klingt ein wenig wie ein versteckter Hinweis an mögliche Entführer des 21-Jährigen, wenn Staatsanwältin Hinterberg leise durchklingen lässt, dass ein Täter wohl kein allzu großes Risiko eingehen dürfte entdeckt zu werden, ließe er Pierre laufen: „Denn er weiß nicht, wo er war.“