Essen. Die Essener Polizei geht in Schulen, um mit harten Bildern und Geschichten über die Gefahren im Straßenverkehr aufzuklären. „Crash Kurs NRW“ heißt die Veranstaltung, bei der jetzt auch Tim Bertram im Rheinisch-Westfälischen Berufskolleg sprach. Er überlebte einen Unfall, zwei Freunde starben.

Tim Bertram hat überlebt. Vermutlich nur, weil er angeschnallt war. 2006 hatte der heute 24-Jährige mit drei Freunden nach einer durchfeierten Nacht einen schweren Verkehrsunfall in Essen-Heidhausen. Die vier jungen Leute fuhren mit ihrem Auto auf der Honnschaftenstraße – in einer Tempo-30-Zone – mit 120 Stundenkilometern vor einen Baum. Die Fahrerin, die 1,9 Promille im Blut hatte, starb, ebenso ein junger Mann.

Tim Bertram spricht über dieses traumatische Erlebnis auf einer Bühne in der Aula des Rheinisch-Westfälischen Berufskollegs, das von Gehörlosen und schwerhörigen Jugendlichen besucht wird. Rund 170 Schüler schauen betroffen, manche kopfschüttelnd in Richtung Gebärdendolmetscher, der für sie das „übersetzt“, was Tim ihnen da erzählt.

Die Essener Polizei hat zum „Crash Kurs NRW“ eingeladen. Und setzt an diesem Nachmittag – für mehr Sicherheit im Straßenverkehr – auf Schockierendes und höchst Emotionales. Der „Crash Kurs“ ist eine NRW-weite Kampagne.

Unfall-Opfer und Angehörige der Toten berichten den Schülern

Die Polizei geht in Schulen, um Jugendliche mit persönlichen Schilderungen, Bildern, Geschichten, aber auch Einsatz-Erlebnissen von Feuerwehrleuten und Notfallseelsorgern aufzuklären. Über die möglichen Folgen von Leichtsinn, Selbstüberschätzung, von Fahrten unter Alkohol, Drogen, mit überhöhter Geschwindigkeit und/oder ohne Sicherheitsgurt.

Unfall-Opfer wie Tim Bertram kommen zu Wort, auch Angehörige von Menschen, die ihr Leben auf der Straße verloren. Selbst verschuldet oder durch Raser, Betrunkene, Drogen-Konsumenten. Die Polizei will mit „Crash Kurs“ den Verstand, aber auch das Herz junger Menschen erreichen, die gerade ihren Führerschein machen oder in ihrem ersten Auto sitzen.

Im Rheinisch-Westfälischen Berufskolleg spricht Tim Bertram davon, dass er, als er und seine Freunde vor den Baum rasten, nur kurz dachte: „Das war’s.“ Der 24-Jährige ist heute Vater und bei der Freiwilligen Feuerwehr. Weil er, der seinen zweiten Geburtstag feiern durfte, jetzt anderen helfen möchte.

Zwei Tütchen mit Rauschgift - Pascal raste mit seinem Wagen vor die Leitplanke

Hier können sich interessierte Schulen melden

In Essen ereignen sich jährlich rund 22 000 Verkehrsunfälle mit 2000 Verletzten. Michael Seth, bei der Essener Polizei zuständig für „Crash Kurs NRW“: „20 bis 25 Prozent der schweren Verkehrsunfälle werden von 17- bis 24-Jährigen verursacht.“

In Essen gibt es den „Crash Kurs“ seit 2011, der sich an Schüler der 10. und 11. Jahrgangsstufe und Berufsschüler richtet. 6000 junge Leute aus Essen und Mülheim haben bereits daran teilgenommen.

Schulen, die Interesse an der Veranstaltung haben, können sich unter 829 4131 bei der Polizei melden. Weitere Infos unter: www.crashkurs.nrw.de

Auch Stefan Dolczewski kommt auf die Bühne der Schulaula. Ein Berufsretter. In der Silvesternacht 2006/2007 fuhr der Brandmeister als Rettungssanitäter auf einem Notarztwagen mit. Und musste sich am Autobahnkreuz Essen-Ost mit seinen Kollegen frühmorgens um einen 21-Jährigen kümmern.

Der war mit seinem Wagen vor die Leitplanke gerast und aus dem Auto geschleudert worden. Andere Wagen hatten ihn überrollt. In der Hosentasche des Mannes fand Dolczewski zwei Tütchen mit Rauschgift. „Darauf hat Pascal offenbar noch Alkohol getrunken.“ Dieser überlebte die von ihm verursachte Tragödie nur einen Tag. Der Mann, der ihn retten wollte, macht keinen Hehl daraus, dass er sehr, sehr wütend über das fahrlässige Verhalten des Unfallopfers war.