Neun Tänzer stehen vor einem wehenden Vorhang. Sie wiegen sich und bewegen sich langsam in der grauen Stoffmasse, bis sie auf den Boden flattert und die Akrobaten verdeckt. Nur langsam kriechen, robben und rudern sie hervor und bearbeiten das Riesentuch – drehen, winden und befestigen es an Haken und Gewichten. Es mutiert zu einem Segel eines Bühnenschiffs, auf dem die Solisten des Cullberg-Balletts die Zuschauer im Pact Zollverein mit auf hohe, stürmische See nehmen.

„Plateau Effect“ nennt Jefta van Dinther seine spektakuläre, kraftvoll körperliche Performance, die jetzt auf Pact Zollverein die Tanzsaison eröffnete. Van Dinther, ein schwedischer Niederländer, der zwischen Stockholm, Berlin und Amsterdam pendelt, wählte Essen als Ort für die deutsche Erstaufführung seines bereits preisgekrönten Opus. An zwei Abenden wurde es in voll besetztem Haus bejubelt, auch von vielen jungen Tanzfans.

Van Dinther, der seine Choreographien regelmäßig auf Zollverein präsentiert, bietet mit „Plateau Effect“ große Emotionen, Irritationen, aber auch großes Theater - unterstützt von einer suggestiven Klangkulisse (David Kiers) und raffinierten Lichteffekten (Minna Tikkainen). Erst wabern Akkorde, dann dröhnen sie, pfeifen, peitschen, wühlen Hörer und Tänzer auf. Zunächst schleichen sie auf Armen und Beinen über, unter und neben dem Segel. Dabei winden sei ihre Gliedmaßen wie schwimmende Amphibien. Schwerelose Bewegungen, die der Wahl-Schwede vermutlich der Unter-Wasser-Welt abguckte.

Plötzlich steigern sich Tempo und bohrende Rhythmen: Die Tänzer rennen wie Matrosen zwischen Seilen, Kordeln und Masten hin und her, befestigen das Tuch, setzen Segel, die wieder in sich zusammensinken. Hektik, Panik wie bei einer Sturmflut beherrschen die Szene, dann wieder Ruhe: Die eben noch so athletischen Tänzer mutieren wieder zu Wassertieren, die schlängelnd ihre Bahnen ziehen. Dennoch rollen sie das Segel zusammen, befestigen es am Mast. Und überraschen am Ende - wieder als reale Menschen- mit einem grandios getanzten Finale: Ekstase und Rausch wird von einem dröhnenden Techno-Knaller beendet.