Essen. . Nach dem Bürgerentscheid gegen die 123 Millionen Euro teure Messe-Modernisierung ist die Hotel-Branche der Stadt stark verunsichert. Kurzfristig werden wohl keine Jobs gestrichen, betont ein Sprecher, aber die Aussichten seien düster. Nun wird von Messe und Politik ein schnelles Signal erwartet.

Sie fühlen sich wie Boxer nach einem schmerzhaften Fausthieb in die Magengrube. Der Bürgerentscheid gegen die 123 Mio Euro teure Messe-Modernisierung hat die Essener Hoteliers in Alarmstimmung versetzt. „Die Branche ist sehr verunsichert“, bestätigt Thomas Kolaric, Geschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes Nordrhein, die miese Stimmung.

Das vorläufige Fazit seiner Blitzumfrage bei 40 Essener Hotels: Die stark messe-abhängige Branche geht davon aus, dass es schon bald zu spürbaren Umsatzverlusten kommen wird. „Einige haben bereits entschieden, geplante Investitionen zu stoppen“, fügt der Dehoga-Geschäftsführer hinzu. Immerhin gibt’s auch eine erfreuliche Nachricht. Kurzfristig werde es in der Hotellerie nicht zu betriebsbedingten Kündigungen kommen.

Keine 24 Stunden nach dem überraschenden Ausgang des Bürgerentscheids zogen sie im Traditionshotel „Essener Hof“ beherzt die Notbremse. „Wir hatten einen vier Millionen teuren Anbau für 12 Doppelzimmer auf 5-Sterne-Niveau geplant“, sagt Geschäftsführer Maximilian Bosse, „aber wegen des Bürgerentscheids haben wir diese Investition ersatzlos gestrichen“.

Das Gemälde, das Bosse, Hotelier in vierter Generation, zeichnet, ist an Düsternis kaum zu übertreffen. Wenn schon die Reifen-Messe abwandere, mutmaßt er, würden auch andere Leitmessen gehen. „Und in spätestens zehn Jahren wird die Messe bedeutungslos sein.“

Stellenstreichungen werden bei Essener Hof nicht ausgeschlossen

Was der Entscheidung des Essener Hofs zusätzliche Wucht verleiht. Vorsitzender der Stiftung, der das Hotel gehört, ist kein Geringerer als Messe-Geschäftsführer Egon Galinnis. Bosse schließt nicht mehr aus, Stellen streichen zu müssen. „Fünf bis sechs von 45 Arbeitsplätzen stehen jetzt auf der Kippe.“

Das zweite Hotel, das eine große Investition stoppt, ist das Rüttenscheider „Ypsilon Best Western“, das sich mit 101 Zimmern und 28 Mitarbeitern als Kleinstes unter den Großen sieht. Auf dem Nachbargrundstück war ein 70-Zimmer-Anbau mitsamt Tagungsräumen geplant. „Unter diesen Vorzeichen macht diese Investition jedoch keinen Sinn mehr“, sagt Geschäftsführer Ralf J. Hoffmann. „Jeder Messetag bringt Umsatz. Würde uns die Messe wegbrechen, wäre das Harakiri.“

Krisenstimmung auch im gemütlichen Rüttenscheider „Parkhotel“. Vor fünf Jahren haben Stephan Klose und seine Partnerin das Haus samt Gastronomie („Sailor’s Pub“) übernommen. Mit viel Optimismus gingen die Beiden zur Sache. Auch dank der Messegäste konnte ihr Lebensprojekt prächtig gedeihen. Zehn Mitarbeiter, darunter auch Teilzeit-Personal, haben in Hotel und Pub inzwischen einen Job gefunden. Doch seit Sonntagabend ist Klose verunsichert. „Traurig ist das“, sagt er schmallippig. Seine Prophezeiung nennt er „brutal“: „Ohne Messe-Modernisierung kann man die Hotels in Essen einstampfen.“

„Ohne Messe wird Essen ein Provinzkaff wie Hintertupfingen“

„Essen ohne Messe kann ich mir überhaupt nicht vorstellen“, sagt Hotelier Stefan Weber („Webers im Ruhrturm“). Im letzten Herbst hat der gebürtige Essener das Hotel in der alten Ruhrgas-Zentrale auf der Huttropstraße eröffnet. In den Frust über den Ausgang des Bürgerentscheids mischt sich eine gehörige Portion Trotz. „Wir werden den Kopf jetzt nicht in den Sand stecken“, sagt der Geschäftsmann. Politik und Messe müssten jetzt schnell ein schlüssiges Konzept zur Ertüchtigung der Messe vorlegen, um das weitere Ausbluten zu verhindern. „Ohne Messe wird Essen ein Provinzkaff wie Hintertupfingen.“

Hubert Schulte-Kemper, Miteigentümer des „Ruhrturms“, findet „entsetzlich“ und „töricht“, was am Sonntag passiert ist. Er sagt: „Man kann doch nicht den Ast absägen, auf dem man sitzt.“ Nun müsse schnell und unbedingt noch vor der Kommunalwahl ein klares Signal zur Zukunft der Messe gesetzt werden. Sein Vorschlag: eine Art „Zweidrittel“-Modernisierung - „40 Mio Euro sofort, weitere 40 später.“

150 Zimmer hat das Sheraton, das stark von der Messe profitiert. „Aber das Leben geht weiter“, sagt Hoteldirektor Roland Ohlberger. Da Essen Highlights wie Zollverein, Folkwang-Museum, Aalto-Oper und Baldeneysee zu bieten habe, sei die Stadt ein lohnendes Reiseziel. „Leider wird im Tourismus zu wenig getan.“ Ohlbergers Vorschlag: Essen solle sich künftig stärker als Kongressstadt profilieren und den Geschäftstourismus ankurbeln. „Essen braucht unbedingt auch einen Tourismusbeauftragten.“

Bürger kippen Messe-Umbau

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