In den Scheiben des blankpolierten BMW X5 spiegeln sich die Reihenhäuschen des Ottenkampshof in Katernberg. Passend zum Auto sind auch die schwarzen Lederschuhe auf Hochglanz gebracht, die um Punkt 13.30 Uhr galant aus dem First-Class-Geländewagen schwingen. – Der Messechef ist da. Und er zieht Blicke auf sich, als er mit dunkelgrauem Anzug und blau-silbern-schimmernder Krawatte durch die ehemalige Bergbausiedlung schlendert. Sein Ziel: Das Klingelschild von Ilse Urbigkeit. Die ältere Dame hatte dankend das Angebot angenommen, sich höchstpersönlich vom Messechef zu ihrem Luftlinie 100 Meter entfernten Wahllokal chauffieren zu lassen.
„Ach, das ist ja schön“, begrüßt die Katernbergerin ihren Fahrer. „Es ist ja gar nicht so weit, aber ich kann einfach so schlecht laufen“, sagt die ältere Dame, während sie sich auf ihrem Stock abstützt. Und dann beginnt sie auf dem Weg zum Auto aus ihrem Leben zu plaudern, das so wunderbar herzergreifend auf den Wahlkampf des Promesse-Lagers zugeschnitten ist, dass dem Messechef das Strahlen nicht mehr vom Gesicht weicht. „Wir haben der Messe wirklich vieles zu verdanken“, sagt die alte Dame, deren Vorfahren schon seit Jahrhunderten im Essener Norden ansässig sind. „Als die Zeche geschlossen wurde, hat mein Mann bei der Messe Arbeit als Parkwächter bekommen und ich habe nach meiner Arbeit bei Wertheim bei euch als Kassiererin anfangen können“, so Urbigkeit mit Blick auf den Messechef. „Ja, da sind sie ja ein richtiges Messekind. Dann kommen Sie mal rein in die gute Stube“, freut sich Kurth und hilft der Dame in den Geländewagen seiner Ehefrau. „Gut, dass ich das Auto noch getauscht habe. Mein neuer Wagen ist zwar bestellt, aber momentan habe ich nur einen kleinen Sportflitzer vor der Tür stehen. Das will ich den Bürgern nicht zumuten“, sagt der Messechef.
Ilse Urbigkeit schwärmt währenddessen weiter. „Für uns war die Messe wirklich immer der Retter in der Not“, so die alte Dame. „Selbst mein Sohn arbeitet als frühpensionierter Postbeamter bis heute als Parkplatzwächter bei der Messe.“ Ob sie denn auch wisse, für welches Ergebnis sie „Ja“ oder „Nein“ ankreuzen müsse, kommt der Messechef mit einem Grinsen auf den Punkt. Da habe es ja durchaus Irritationen gegeben. „Jaja, das hat mein Sohn mir von Anfang an eingebläut, dass ich mit „Nein“ abstimmen muss“, so Urbigkeit. Er wolle ja seinen Job behalten.
Am Wahllokal angekommen, mischen sich die alte Dame und der Messechef ins Getümmel. Ob er auch noch zum Abstimmen anstehe, fragt ihn ein Ehepaar, denen wohl nicht bewusst ist, dass der Chef höchstpersönlich im Lokal steht. – Außerhalb der Messehallen und der Highsociety von Essen ist er eben ein Mann mit blankpolierten Schuhen und dunkelgrauem Anzug, der Messechef.
„So, dann haben wir ja eine Stimme schon mal im Sack“, scherzt Kurth und hilft der alten Dame zurück in die schwarze Nobelkarosse. Ilse Urbigkeit wird das Ergebnis heute Abend bei WDR4 verfolgen – und der Messe beide Daumen drücken.
Der dritte Einsatz als Chauffeur war es heute für den Messechef. „Einen Fahrgast hatte meine Frau aus dem Verwandtenkreis angeheuert und eine ältere Dame habe ich in Bredeney zum Wahllokal begleitet“, so Kurth. Samt Enkeltochter. „Als wir losfuhren, stand die ganze Familie draußen und hat gewunken. Es fehlten eigentlich nur noch die weißen Taschentücher. Eine Verabschiedung, als käme sie nie wieder“, lacht der Messechef. Zehn Minuten später stand der schwarze Geländewagen aber wieder samt Dame wohlbehalten vor der Haustür. Rund zehn Fahrten waren bis zum Mittag die Ausbeute der ProMesse-Chauffeure. Die Mehrzahl seien ältere Leute gewesen, die den Service als willkommene Hilfe sahen in die nicht immer barrierefreien Wahlämter zu kommen, berichtet Julia Wagner von der Messe Essen. „Den meisten war es auch herzlich egal, ob da der Chef höchstpersönlich fährt oder sonst jemand“, so Kurth. Ihnen sei es einfach darum gegangen, auf gutem Wege zur Wahl zu kommen. „Machense voran, ich hab´ Termine“, sei die Ansage einer älteren Dame aus Bredeney gewesen.
Und was wünscht er sich nach einem Tag als „Cheffeur“? „Ein überzeugendes Mandat mit breiter Mehrheit“. Wurde nichts draus.