Es war 11.34 Uhr und die Veranstaltung gerade eine halbe Stunde alt, als sie um ein Haar schon ihr überraschendes Ende gefunden hätte.
Denn der als Tagungsort ausgeguckte große Saal der Gaststätte „Sternquelle“, er erwies sich als arg klein, um allen 130 Teilnehmern der linken Kandidatenkür für den Rat einen eigenen Sitzplatz zu gewährleisten. Was Michael Kretschmer, den Leiter der Landesgeschäftsstelle, auf den Trichter brachte, man möge die ganze Chose doch hier und jetzt abbrechen und auf einen neuen Termin an anderem Ort verschieben.
Die Versammlung lehnte ab – mit 58:52 ziemlich knapp, und vielleicht war in diesem Moment allen klar, dass die Linke in Essen heute reinen Tisch machen, und wie die entscheidende Schlacht am Ende ausgehen würde.
Denn ein späterer Termin hätte diversen Neumitgliedern den Ablauf der sechswöchigen Karenzzeit, damit Stimmrecht und so womöglich neue Mehrheitsverhältnisse in einem Kreisverband beschert, in dem an diesem Samstag „zwei Züge ungebremst aufeinander zurollen“, wie Schatzmeister Ralf Fischer sorgenvoll bemerkte.
Unvermeidlicher Zusammenstoß
Das Ergebnis des nach letzten gescheiterten Vermittlungsversuchen unvermeidlichen Frontalzusammenstoßes: Das Lager um Ratsfrau Gabriele Giesecke (59) und Wolfgang Freye (59) unterlag bei der Kandidatenkür auf ganzer Linie.
Erstere hatte mit 57:68 Stimmen gegen Janina Herff (30) das Nachsehen und verzichtete danach auf jede weitere Kandidatur. Und Freye ersparte sich eine vergleich- und absehbare Niederlage, indem er eine Nominierung für einen der vorderen Plätzen erst gar nicht anstrebte. Immerhin, der abgeschlagene Platz 14 der Reserveliste eröffnet ihm die rechtlichen Voraussetzungen, um die Linke wie bisher im Regionalverband Ruhr vertreten zu dürfen.
Unklar ist noch, ob der Ausgang der weiteren Listenwahlen (siehe Infobox) Bestand hat, denn Landesgeschäftsstellen-Leiter Kretschmer will dem Vernehmen nach prüfen lassen, ob die Umstände des Nominierungs-Marathons Anhaltspunkte für eine Wahlanfechtung bieten: Vermeintlich irreguläre Tagungsbedingungen und zudem die Schwierigkeit, die eigene Stimme geheim abzugeben, werden dabei als Kritikpunkte ins Feld geführt.
Zumindest der letztere Punkt darf als zweifelhaft gelten, weil ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt wurde, in einem Nebenraum zwei aufgebaute Wahlkabinen für die Stimmabgabe zu nutzen. Die Versammlung wies denn auch gestern Abend die Kritik zurück.
Unklar ist noch, ob der radikale personelle Kurs zu einem Exodus von Teilen der 380 Mitglieder bei den Linken führt. Wenn man einander mit Schmutz und allerlei Üblem überzieht, so gab ein Mitglied zu bedenken, „wie soll man dann später gemeinsam Wahlkampf machen?“