Die Bundespolizei hat am Hauptbahnhof vier Meerschweinchen eingefangen, die ihr Besitzer offenbar dort ausgesetzt hatte. Im Tierheim stellte sich schnell heraus: Zwei der Jungtiere erwarten Nachwuchs. „Wenn die Tiere sich vermehren, schmeißen diese Leute Leben einfach so weg“, sagt Kleintier-Pflegerin Annette Kox. Nach Weihnachten sei die Zahl der ausgesetzten Nager wie alle Jahre wieder deutlich gestiegen.

Besonders häufig betroffen seien Kaninchen, Hamster, Ratten und Meerschweinchen. Alles, was sich schnell vermehre, wenn man das nicht verhindere. Annette Kox schätzt, dass die Hälfte aller Kleintiere als Fundtiere zu ihnen kamen. „Eigentlich hält die Tierliebe und Geduld oft noch bis Ostern“, sagt Tierheim-Mitarbeiterin Tilly Küsters aus Erfahrung. Um Ostern finden sie in der Regel die meisten Tiere. Manche von ihnen stehen in Kartons vor ihrer Tür, andere landen in Müllcontainern. Andere werden im Wald oder wie jetzt sogar mitten in der Stadt laufen lassen. Überlebenschance gleich null, „das ist besonders skrupellos.“

Dabei nimmt das Tierheim auch unliebsam gewordene Haustiere auf. Über die Gründe, warum einige Halter diese Abgabeart ablehnen, können die Tierschützer nur mutmaßen. Die Abgabegebühr könnte einer sein, die beim Meerschweinchen zehn, bei der Katze 50 und beim Hund 100 Euro beträgt. Manche Halter scheuen vielleicht das Gespräch mit den Mitarbeitern, haben das Gefühl, sich dann rechtfertigen zu müssen. Fest steht, dass immer mehr Tiere in schlechtem gesundheitlichen Zustand ankommen, weil die Besitzer die mitunter enormen Tierarztkosten nicht tragen können oder wollen. Sie bleiben am Heim hängen.

Beim aktuellen Fund hatten Passanten die vier jungen Meerschweinchen unter einem Strauch an der Hollestraße, gegenüber der ehemaligen Volkshochschule entdeckt. Der unbekannte Besitzer hatte die Tiere dort ausgesetzt, daneben einen blauen Müllsack mit Kleintierstreu gestellt. Hinweise auf den Besitzer gebe es nicht, erklärte Jürgen Karlisch, Sprecher der Bundespolizei. Bevor die herbeigerufenen Beamten die Meerschweinchen „in Gewahrsam nehmen“ konnten, versuchten diese mehrmals auszubüchsen. Die Meerschweinchen-Fänger in Uniform verständigten die Tierretter der Feuerwehr, diese übergaben die Nager dem Tierheim. Dort versorgte Annette Kox die Meerschweinchen, zwei Böckchen und zwei Weibchen. Letztere sind „hochtragend“, so Kox, können jederzeit Nachwuchs bekommen. Ihre Jungen werden sie im Tierheim zur Welt bringen. Diese beiden Meerschweinchen sollen nach Möglichkeit zusammen in ein neues zu Hause ziehen, wünschen sich die Tierheim-Mitarbeiter.

Die beiden Böcke sind inzwischen kastriert, hätten ohnehin nicht gemeinsam ausziehen können, da sie sich stritten. Dieses Thema hat sich aber von selbst erledigt, berichtet Annette Kox, da sich eine Tierarzthelferin dazu entscheiden hat, eines der Schweinchen aufzunehmen: „Es ist vermittelt“. Wer sich für eines der Meerschweinchen interessiert, der sollte laut Expertin bedenken: Als Haustier für Kinder eignen sich die Tiere nicht, weil sie sehr stressanfällig seien.