„Metropole oder Kräwinkel“ – diese Alternative ist gewiss plakativ. Und doch strahlt Essen auch wegen der Messe mehr großstädtisches Leben aus als manche Nachbarstadt. Wenn sich Grüne und Linke beim Bürgerentscheid durchsetzen sollten, kann dies der Anfang vom Ende der Messe Essen sein.

Es mag wie eine Überhöhung klingen, wenn die Messe-Abstimmung nun immer mehr diesen dröhnenden Entweder-oder-Ton bekommt. Aber leider stimmt es: Wenn sich Grüne und Linke am 19. Januar durchsetzen sollten, dann kann dies durchaus der Anfang vom Ende der Messe Essen sein - einfach weil die Branchen und Märkte die Geduld verlieren und den Standort abschreiben. Die Konkurrenz übernimmt gerne.

Sicher, wir Bürger haben übernächsten Sonntag das Recht, der Messe und der Ratspolitik trotz der nun sechsjährigen intensiven Vorarbeit zu sagen: Danke, geht zurück auf Los! Doch die Folgen sollten genau bedacht werden. Dies ist kein Spiel mehr. Es geht um viele Existenzen, und es geht um ein Unternehmen, das seit 100 Jahren den Wirtschaftsstandort Essen mit voran bringt. „Metropole oder Kräwinkel“ - diese Alternative ist gewiss plakativ. Und doch hat die Tatsache, dass Essen mehr großstädtisches Leben ausstrahlt als manche Nachbarstadt auch mit der Messe zu tun. Deshalb erstaunt die Leichtigkeit, mit der eine eigentlich längst staatstragende Partei wie die Grünen mit dem Feuer spielt, und die indifferente Laschheit der SPD wirkt ebenfalls merkwürdig - engagierte einzelne Sozialdemokraten ausdrücklich ausgenommen.

Seltsam ist das alles auch deshalb, weil die Kritiker ja stets beteuern, so um die 100 Millionen Euro für die Messe dürften es schon sein, nur eben nicht 123 Millionen. Der Unterschied ist natürlich nicht belanglos für eine arme Stadt wie Essen. Doch für die 123 weiß ich wenigstens, was ich bekomme, während die Kritiker wenig mehr zu bieten haben als ein rumorendes „So wie geplant irgendwie nicht“. Es ist schleierhaft, woher die Tollkühnheit plötzlich kam, der Stadt einen Blindflug nahezulegen, der leicht viel teurer werden kann als 123 Millionen Euro. Grünen-Parteichef Mehrdad Mostofizadeh gab gestern sogar zu, dass die Grünen lange die Pläne mitgetragen haben.

Das Hadern der Grünen mit der eigenen Realpolitik könnte auch die Parteien-Konstellationen in Essen in Bewegung bringen. Dass am Donnerstag die Fraktionschefs von SPD und CDU ihre Gemeinsamkeit betonten, war mit Bedacht inszeniert. Derzeit ist schwer vorstellbar, die alte schwarz-grüne Herzlichkeit im Viererbündnis wieder herzustellen. Das gilt erst recht, sollten die Grünen am 19. Januar siegen und so neben dem OB auch Thomas Kufen blamieren. Die SPD würde dann wohl gebraucht, um mit der CDU die Messe-Scherben zusammenzukehren. Eine Partei, die fast zeitgleich Presse-Konferenzen pro und contra Messe-Umbau gibt, ist als gestaltende Kraft allerdings schwer ernst zu nehmen.