Die Lehrer der Ruhrlandschule unterrichten immer mehr Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankungen.Essens Jugendhilfe ist gut vernetzt: Das möchte das Schulteam bei einer Fachtagung zeigen

SCHWERPUNKT SCHULE Immer mehr Schüler mit psychischen Erkrankungen besuchen die Ruhrlandschule, Städtische Schule für Kranke, jährlich. "Sie werden jünger und schwieriger. Ein Vakuum an Erziehung und der höhere Druck durch die enorme Leistungsorientierung seit der Pisa-Studie sind Gründe dafür", sagt Hermann Frey, Leiter der Ruhrlandschule.

Auch würden mehr Ärzte die Schule kontaktieren, nach Beschulung für Patienten fragen. Hinter vielen Schulverweigerungen steckt eine Krankheit. Unterrichteten 17 Lehrer vor vier Jahren noch täglich 108 Schüler, so sind es inzwischen 24 für 132 Schüler. Vier Fünftel der Kinder und Jugendlichen leiden an psychiatrischen Erkrankungen. In Sucht-Entwöhnungseinrichtungen gibt es z.B. Schulangebote. Inzwischen werden seit 40 Jahren in Essen kranke Kinder unterrichtet.

Die Schüler bleiben kein ganzes Jahr. Die Fluktuation ist hoch, nach der Entlassung besuchen sie die Regelschulen. "Insgesamt kommen etwa 850 Schüler im Jahr zu uns."

Das stellt besondere Anforderungen an Lehrer. "Fortbildungsmöglichkeiten zu diesem Feld sind rar", so Frey. Eine aber ist die "Fachtagung Schule und Psychiatrie", kurz Schups. Die 19. hat das Ruhrlandschule-Team nach Essen geholt. "Bisher war das Treffen oft stark medizinisch orientiert, wir wollen den Schwerpunkt auf die Pädagogik legen." Vom 17. bis 20. September werden über 155 Lehrer von Schulen für Kranke aus Deutschland, der Schweiz und Österreich nach Essen kommen, um zu der Frage "Braucht die Schule für Kranke eine Pädagogik der besonderen Art?" Vorträge zu hören, Workshops zu besuchen.

Wichtig ist den hiesigen Organisatoren der Untertitel: "Beratung, Vernetzung, Kooperation und Menschenverstand". Essen sei gut aufgestellt, so Frey. "Das wollen wir den Teilnehmern zeigen, denn wir sind, was die Jugendhilfe angeht, eine sehr gut vernetzte Stadt mit viel Kooperation".

"Was die Pädagogik angeht, müssen wir individuell auf die Schüler eingehen. Wichtig sind Gruppenerfahrungen wie das Kanufahren auf dem Baldeneysee oder die Kunstprojekte. Sie müssen wieder Spaß an Schule bekommen", erklärt Lehrerin Telse Sentker. "Manche Schüler kommen gar nicht aus ihrem Raum. Wir müssen sehen, wie wir sie ansprechen, das kann durch einen Brief sein oder dadurch, dass ich mich zu ihnen setze. Vertrauen muss aufgebaut werden, jedes Mal ganz individuell", so Lehrerin Anita Bhandari. Ziele müssten mit den Jugendlichen erarbeitet werden. Denn die Krankheit sei oft ein Scheitelpunkt.

10 000 Euro für die seit zwei Jahren geplante Tagung kommen von der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, 1500 Euro von der Bosch-Stiftung. Einer der Referenten wird Prof. Johannes Hebebrand, Leiter der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der Rheinischen Kliniken der Universität Duisburg-Essen, sein. Zahlen, die belegen, dass mehr Kinder- und Jugendliche durch den höheren Leistungsdruck krank werden, hat er nicht. Aber die Ambulanz sei stets gut besucht. Ein Problem stellten bei Schulverweigerern verstärkt die extreme Nutzung des Computers und des Internets dar.

Info: Homepage www.ruhrlandschule.uni-duisburg-essen.de, Spenden sind willkommen: Förderkreis-Konto, Sparkasse Essen BLZ 360 501 05, Konto 84 21 547