Essen. . Was die Stadt macht, schafft die Aktion Mensch 39 Cent günstiger: Sie informiert ihre Förderer per Cent-Überweisung über die SEPA-Umstellung. Rathaus und Stadtwerke setzen auf teure Briefe. Doch warum?

Was denn, ein Geldeingang von der „Aktion Mensch“? Ein Cent? Die bitten doch sonst um Spenden und verschenken nicht Geld an andere Leute. Doch genau das passiert dieser Tage auf vielen Essener Konten: Vereine und Organisationen, aber auch Firmen überweisen unaufgefordert Geld, um ih­ren Förderern und Kunden per „Verwendungszweck“ mitzuteilen, wie sie ab dem 1. Februar von ihrem Konto abbuchen werden.

Es geht dabei um „SEPA“, den einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraum für Verbraucher, Handel, Un­ternehmen, aber auch Kommunen. Ab Februar dürfen sie nur noch so genannte IBAN-Nummern verwenden, wenn sie via Lastschrift Geld einziehen. Die Lastschrift per Bankleitzahl und Kontonummer ist dann hinfällig. Die „Aktion Mensch“ will mit ihren Cent-Überweisungen Pa­pier, Aufwand und vor allem Porto sparen. Denn sie muss – wie alle anderen auch – ihre „Gläubiger-Identifikationsnummer“ mitteilen. So verlangt’s der Gesetzgeber. Und was ist mit der Stadt und ihren Töchtern, etwa den Stadtwerken? Sie setzen auf die vergleichsweise teure Briefpost – teilweise doppelt und dreifach.

23.400 SEPA-Briefe hat die Stadtverwaltung bisher an Bürger und Firmen verschickt, wenn diese eine Lastschrift erteilt haben – etwa bei Elternbeiträgen für Kitas, für Musikschule und VHS, die Hunde- oder auch Gewerbesteuer. 40 Cent muss die Stadt pro Brief berappen, summa summarum 9.360 Euro, Material- und Personalkosten nicht mitgerechnet. Geht’s nicht günstiger, zum Beispiel mit Cent-Überweisungen? 23,40 Euro würden stattdessen anfallen.

„Ja, das hätten wir machen können, so wie einige Versicherer, haben uns aber nach intensiver Diskussion dagegen entschieden“, sagt Ralf Macher, Leiter der Zahlungsabwicklung in der städtischen Finanzbuchhaltung. Er habe die Sorge, dass sich manche Bürger beschweren würden, wenn die gut gemeinte Überweisung Buchungskosten bei ihnen auslöst. Und somit Aufwand bei der Stadt, wenn sie die Beschwerden beantworten müssen.

Doch ob das so viele trifft? In der Tat gibt es Kontomodelle, bei denen eingehende Überweisungen kostenpflichtig sind – etwa bei der Sparkasse Essen. 15 Cent zahlen Privatkunden dort in einem von sieben Kontomodellen. Für Geschäftskunden sind es 48 Cent. „Ich halte nichts davon, Kunden über ein eventuell kostenpflichtiges Gebührenmodell zu informieren. Im Zweifel löse ich sogar einen Zwangsauszug aus, den der Kunde dann zahlen müsste. Damit ist nicht jeder glücklich“, betont Volker Schleede, Sprecher der Sparkasse Essen. Zudem hätten Banken und IT-Dienstleister erhöhte Kosten durch Cent-Überweisungen.

Auch wenn Cent-Überweisungen vielleicht nicht der Sinn des Zahlungsverkehrs ist: „Sie sind zulässig. Im Gesetz ist einzig die Schriftform definiert. Wie die Informationen übermittelt wird, ist freigestellt“, betont Steffen Steudel vom Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken. Dass es keine gesetzlichen Vorgaben dafür gibt, bestätigt das Bundesfinanzministerium. Sparen will die Stadt dafür, wenn 170.000 Grundbesitzabgabenbescheide das Rathaus verlassen: 127.000 der Angeschriebenen nehmen am Lastschrift-Verfahren teil und werden mit den Bescheiden über SEPA informiert.

Die Stadtwerke setzen auf Post – das kostet

Anders als die Stadtverwaltung verschicken zum Beispiel die Stadtwerke Essen ihre SEPA-Mitteilungen im Zweifel gleich mehrfach an ihre Kundschaft – getrennt für Gas, Wasser und Strom. Und so liegen dieser Tage oftmals drei oder mehr Schreiben in ihren Briefkästen, etwa wenn die Bürger zusätzlich noch einen eigenen Zähler für den Hausflur angemeldet haben – frei dem Motto: Ein Schreiben je Kundennummer.

Bei rund 89.000 Gaszählern, gut 92.000 Wasserzählern und etwa 10.000 Stromkunden kommt da einiges zusammen. „Es sind mehr als 150.000 Briefe, die wir mit ganz normaler Post versenden“, sagt Stadtwerke-Sprecher Dirk Pomplun. Sicher hätten die Stadtwerke Essen mit Ein-Cent-Überweisungen bares Geld sparen können, ob sie damit andererseits auch manchen Ärger ausgelöst hätten, sei dahingestellt.

Wer Ein-Cent-Überweisungen erhält, sollte dennoch auch vorsichtig sein. Denn nicht zuletzt Betrüger nutzen diese Masche, um zu überprüfen, ob das entsprechende Konto existiert. Schnell werden dann in den Ferien – wenn der Kontoinhaber im Urlaub weilt – Beträge abgebucht, etwa ins Ausland, warnt Polizeisprecher Lars Lindemann.

Banken telefonieren notfalls hinterher

Marc Balke, Referent für den Handel bei der Industrie und Handelskammer zu Essen, hat von Ein-Cent-Überweisungen bisher noch nichts gehört. „Wir kämpfen noch auf der anderen Seite, dem Schritt davor“, sagt er. Denn „erst ein Drittel der Unternehmen ist bisher auf den SEPA-Zug aufgesprungen, zwei Drittel sind nicht so weit, dass sie es bis Februar noch schaffen könnten.“

Es seien vor allem die kleinen und mittleren Unternehmen, die sich schwer täten. „Sie denken: ,Ich werd’s machen, wenn es kommt.’ Und sie hoffen auf eine Übergangsfrist. Ein Irrglaube! So etwas wird es nicht geben, die EU hat keine Fristverlängerung vorgesehen“, so Balke.

Gregor Stricker, Sprecher der National-Bank, teilt die Sorge der IHK: „Mittlerweile sollte aufgrund der Informationsflut eigentlich bei allen angekommen sein, worum es geht. Aber es gibt noch Bedarf.“ Über alle ihr zur Verfügung stehende Kommunikationswege hätte seine Bank ihre Kunden informiert – über das Internet, per Brief, persönlich und über den Kontoauszug. Ähnlich ist es bei der Geno-Bank. „Wir haben Checklisten erstellt und Infomaterial verteilt. Alle Betreuer wurden informiert und haben die Konten überprüft. Wo bisher noch nichts geschehen ist, wird nachtelefoniert“, sagt Pressesprecherin Susanne Wilde.

Das kostet. Im Zweifel mehr als einen Cent.