Essen. Wie kommen Sie fit durchs Jahr? Der Essener Vorsorgemediziner Prof. Dietrich Baumgart erklärt, warum er Sport vor dem Fernseher empfiehlt.

Die guten Vorsätze für den Start in die Freiluft-Saison werden schnell gefasst – und ebenso schnell wieder begraben: „Ich will abnehmen, mich mehr bewegen, einfach wieder gesünder leben.“ Warum es sich lohnt, nicht so schnell aufzugeben, erklärt der Essener Vorsorgemediziner und Herz-Spezialist Prof. Dietrich Baumgart. Einer seiner wichtigsten Tipps: „Seien Sie geduldig mit sich selbst und überfordern Sie sich nicht!“

Was halten Sie von guten Vorsätzen für die Saison?

Baumgart: Grundsätzlich finde ich es gut, wenn sich jemand mehr um seine Gesundheit kümmern möchte. Viele Leute scheitern aber dabei schnell, weil sie eine zu krasse Kehrtwende versuchen, zum Beispiel mit Neujahrs-Vorsätzen. Meint: Sie starten mit Crash-Diäten und versuchen, in vier oder sechs Wochen zehn Kilo abzunehmen – und erleben dann den Jo-Jo-Effekt. Oder sie beginnen mit einem Leistungstraining, das sie überfordert. Wer wirklich nachhaltig abnehmen will und dies sinnvollerweise mit mehr Bewegung verbindet, muss es in kleinen, effektiven Schritten tun.

Wie speckt man vernünftig ab?

Über 50 Prozent der Erwachsenen sind bei uns übergewichtig. Das sehe ich auch in meiner Praxis. Und dies hat bei den Betroffenen Folgen für ihre Gesundheit, wie etwa Herz-Kreislauf-Probleme, eine Belastung der Gelenke, der Wirbelsäule. Der Vorsatz, weniger wiegen zu wollen, ist daher prima. Dabei muss man aber wissen: Ein Kilo Gewichtsverlust pro Monat ist eine gute Größe, ein Erfolg! Auf diese Weise sollte man versuchen, kontinuierlich abzunehmen, also sein eigenes Ess-Verhalten ändern.

Was gehört auf den Speiseplan?

Keine vermeintlichen Wunder-Diäten, auch keine Appetit-Zügler, sondern eine gesunde, vollwertige Ernährung mit viel Gemüse und Obst, maximal ein- bis zweimal in der Woche Fleisch, viel Fisch, Vollkornprodukte statt Weißmehl. Nicht so fettreich, nicht so süß, nicht so salzig essen. Und auch wenig gesüßte Getränke und Fruchtsäfe zu sich nehmen, da beide sehr viele Kalorien haben. Lieber eine Schorle trinken. Im übrigen ist Ernährung etwas sehr Individuelles. Man sollte sich also nicht daran orientieren, was der Ehemann, die Freundin oder der Nachbar so isst, sondern selbst für sich eine gute Mischung hinbekommen.

Wir leben in einer Snack-Gesellschaft, essen gerne zwischendurch, am Schreibtisch, im Laufen.

Ja, das ist ein großes Problem, etwa bei Berufstätigen. Wir schaufeln heutzutage einfach viel in uns hinein, ohne darüber nachzudenken, ob uns das guttut. Was man auch wissen muss: Unser Essverhalten wird in der Kindheit geprägt. Dicke Kinder haben meist dicke Eltern. Und wenn Kinder schon früh eine Ernährung mit Burgern und Chips kennenlernen... Man will ja jetzt in den Schulen mehr über Ernährung und Gesundheit sprechen. Das ist gut.

Kann Stress dick machen?

Ja! Ich habe immer mehr Stress-Patienten in der Praxis. Viele erleben im Job eine große Arbeits-Verdichtung oder haben Angst um ihren Arbeitsplatz. Alles muss immer schneller, immer perfekter laufen. Das halten nicht alle Menschen aus. Die Leute belohnen sich dann eben gerne mit Essen.

Was gilt für stark übergewichtige, adipöse Menschen?

Das sind Leute, die 20 Prozent über ihrem Normalgewicht liegen. Diese sollten nur von einem Arzt begleitet abnehmen. Darüber hinaus sind Ernährungs-Experten, also ausgebildete Oecotrophologen, sehr gute Berater. Beide motivieren die Menschen, loben und helfen ihnen dabei, beim vernünftigen Abnehmen auch durchzuhalten.

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>>> SO NEHMEN SIE AB – TIPPS VON PROF. BAUMGART:

  • Wer abnehmen will, sollte sich auch mehr bewegen. Warum dies nicht den Gang in die „Mucki-Bude“ bedeutet, erklärt Prof. Dietrich Baumgart. Grundsätzlich gelte: Für gesunde Menschen seien drei- bis viermal in der Woche jeweils 30 Minuten Bewegung empfehlenswert. „Leute, die bislang keinen Sport getrieben haben, sollten erst einmal mit einem simplen Spaziergang anfangen. Bevor man zu Abend isst, einfach mal 20 Minuten flott um den Block gehen.“
  • Viele frustrierten sich beim Thema Sport – genau wie beim Abnehmen – weil sie ihre eigenen Ansprüche viel zu hoch ansetzten. Ganz wichtig sei eine Ausdauerbewegung. „Die Leute sind derzeit oft auf dem Kraft-Sektor unterwegs und gehen dazu ins Fitness-Studio. Da wird dann sehr viel mit Gewichten hantiert, um Muskeln aufzubauen. Der Kalorien-Verbrauch ist dabei minimal. Und der Puls kommt auch nicht in Gang“, so Baumgart.
  • Viel besser sei dagegen die Anschaffung eines Heimtrainers. „Damit kann man sich dann abends vor das Fernsehen setzen und ordentlich in die Pedalen treten. Ein gutes Training für Herz und Kreislauf!“
  • Und natürlich sollte man sich vornehmen, mehr Bewegung in den Alltag einzubauen, rät der Vorsorgemediziner. „Das, was man eigentlich auch weiß: Die Treppe, nicht den Aufzug nehmen. Die kleinen Effekte bringen auf Dauer etwas. Jeder Schritt zählt!“
  • Was dem Kardiologen ebenfalls am Herzen liegt: Raucher, die ihrer Gesundheit etwas Gutes tun wollen, sollten den Glimmstängeln abschwören. „Aber das ist eine Entscheidung des Kopfes. Man muss es wirklich wollen.“ Beim Thema Rauch-Entwöhnung setzt der Essener Arzt auf die abrupte Methode: „Harte Raucher, die eine Packung oder mehr täglich rauchen, müssen das von einem auf den anderen Tag lassen. Täglich eine Zigarette weniger, das klappt meist nicht.“ Nikotin-Pflaster seien als Hilfsmittel selbstverständlich erlaubt.