Essen. Den Messe-Machern mangelte es nie an Selbstvertrauen, doch kam das bei manchen Bürgern als Arroganz rüber - und als Gefahr für die Gruga. Die wirtschaftlichen Erfolge traten immer mehr in den Hintergrund.

100-jähriges Jubiläum feierte die Messe Essen im vergangenen Jahr. Und erstmals hatte die Geschäftsführung das Gefühl, aus diesem Anlass und wegen der heftigen Diskussionen um die Modernisierung mal was fürs Image tun zu sollen - und zwar breitenwirksam in der Stadt, deren Namen das Unternehmen trägt. Mit Kuchen und Fähnchen, Gewinnspielen und Musik, kurzen Reden und knappen Informationen zog die Messe mit einem Mobil in die Innenstadt und einige Stadtteile. Ob etwas Positives hängenblieb? Am 19. Januar wird man’s wissen.

Nötig hatte die Messe solches Sympathie-Werben in ihrer eigenen Wahrnehmung bis dato eher nicht. Lange galt das Unternehmen unter den früher so genannten „schönen Töchtern“ der Stadt als die allerschönste, wurde von Politikern und Journalisten gelobt, teils auch gehätschelt. Das Selbstvertrauen ihrer Chefs war entsprechend. Kritik kam erstmals auf, als sich die Messe anschickte, im Zuge der baulichen Erweiterungen der 1980er und 1990er Jahre ihrem Nachbarn, dem Grugapark, auf die Pelle zu rücken. Vor allem die Grünen erkannten: Im Ringen mit der „Messe-Krake“, wie es bald hieß, ließ sich zumal in den vom Messe-Verkehr betroffenen Stadtteilen Stimmung machen und Stimmen gewinnen. Und auch bei der SPD formierten sich Kräfte, die es nicht ungern sahen, wenn die Messe Grenzen zu spüren bekam.

Kritische Stimmung fraß sich fest

Ab 1971 amtierte zwei wachstumsträchtige Jahrzehnte lang der legendäre Günter Claaßen als Geschäftsführer. Der kernige Sozialdemokrat alter Prägung stand den Ängsten und Ressentiments verständnislos gegenüber - und verstärkte sie dadurch, wie auch mancher Messe-Chef nach ihm. Die tendenziell kritische Stimmung fraß sich fest und verselbstständigte sich, sonst hätten Grüne und Linke für ihr Bürgerbegehren keinen Resonanzboden gefunden. Die meisten Essener identifizieren sich weniger mit der Messe und ihrer positiven Ausstrahlung auf das Essener Wirtschaftsleben, sondern mit der vermeintlich stets gefährdeten Gruga, „dem emotionalen Herz der Stadt“, wie Oberbürgermeister Reinhard Paß treffend sagt.

Sich mit der Gruga anzulegen, empfiehlt sich nicht für einen Messe-Chef, das musste etwa der bis 2008 amtierende Joachim Henneke erfahren. Wer in der Essener Politik - von Christdemokraten bis Linken - diesen Namen fallen lässt, der hört wenig bis nichts von seinen Verdiensten. Mit ziemlicher Gewissheit kommt aber die Geschichte zur Sprache, wie Henneke versucht haben soll, die Messe zulasten der Gruga auszudehnen - und dabei angeblich mit gezinkten Planzeichnungen arbeitete, um sein Vorhaben möglichst lange zu tarnen.

Nicht die Gruga, die Messe gibt Flächen ab

Um eine Verkleinerung der Gruga geht es bei der aktuellen Messe-Entscheidung ausdrücklich nicht - das räumen selbst diejenigen ein, die das Bürgerbegehren initiiert haben. Es ist ist im Gegenteil die Messe, die sich rund 800 Quadratmeter Hallenfläche abhandeln ließ, um dem Fitness- und Thermenparadies „Kur vor Ort“ und der Grugabahn möglichst wenig Umbaustress zu bescheren.

Ginge es wirklich um relevante Teile der Gruga, wäre der Bürgerentscheid schon so gut wie entschieden. Gegen den Park kann die Messe nicht (mehr) gewinnen, schon länger sehen Messe-Leute das Positive: Welche Messe hat gleich nebenan so schönes Grün? Lasst uns diese Nachbarschaft besser nutzen! Gleichwohl hat sich ins kollektive Bewusstsein der Stadt eingebrannt, dass die „gefräßige“ Messe der Gruga an den Kragen will - schwer das wieder rauszukriegen.

Der bis vor wenigen Tagen amtierende Geschäftsführer Egon Galinnis stellte klar, dass die Messe längst bescheiden geworden ist: „Diese Baumaßnahme wird die letzte sein, mehr wird nicht gehen“, sagte er in einem Interview mit Blick auf die beengte Lage der Hallen. Es war beruhigend gemeint, doch gehört zur Misstrauenskultur rund um die Messe, das das nicht jeder glaubt.