Verletzungen durch explodierende Böller, Schnittwunden durch Scherben, übermäßiger Alkoholkonsum: Man sollte annehmen, dass die Verletzungsgefahr in keiner Nacht so hoch ist wie zu Silvester. Aber im Alfried-Krupp-Krankenhaus in Rüttenscheid, mitten in Essens Party-Hochburg also, erleben die Mitarbeiter in dieser Silvesternacht einen ungewohnt ruhigen Jahreswechsel.
Um 23 Uhr noch keine besonderen Vorkommnisse – die ersten Patienten kommen erfahrungsgemäß erst nach Mitternacht, sagt die Dame an der Anmeldung. Tatsächlich können die diensthabenden Pfleger und Ärzte um 0 Uhr mit alkoholfreiem Sekt anstoßen. Auf dem Tisch im Aufenthaltsraum steht Kartoffelsalat, dazwischen liegen ein paar Luftschlangen.
Um 1 Uhr fordert ein junger Mann in gebrochenem Deutsch eine Untersuchung: Vor einigen Wochen hatte er einen Motorradunfall, jetzt will er sich noch mal untersuchen lassen. Dass er kein Notfall ist und um diese Uhrzeit fehl am Platze, will ihm nicht einleuchten. Die Mitarbeiter geben nach. Der hausärztliche Notdienst schaut sich die Verletzung an, wechselt den Verband.
Es vergehen ein paar Minuten, da kommt der erste Rettungswagen in dieser Nacht angefahren, darin ein gut gelaunter Patient: „Eigene Doofheit“, gesteht Johann Schager und lacht: „Ich war zu langsam.“ Will heißen: Der Böller zündete schneller als gedacht und riss ihm ein Stück vom Ohrläppchen ab. „Der Mann hat wirklich Glück gehabt“, sagt Krankenpfleger Michael Brencher. Eine gute halbe Stunde und einige Stiche später verlässt der Verletzte das Krankenhaus mit dickem Verband um den Kopf. Schmerzen habe er keine, vielleicht feiere er sogar noch weiter – schließlich sei die Party zu Hause in vollem Gange, so Schager.
Im Krupp-Krankenhaus geht die Schicht entspannt weiter. Gegen 2 Uhr wird eine Dame mit ausgerenktem Kiefer in die Ambulanz getragen. Keine typische Silvesterverletzung, die Patientin hat so etwas öfter. Wenige Minuten später ist der Kiefer wieder eingerenkt.
Kaum ist die Dame weg, geht die Tür zur Notaufnahme wieder auf. Zwei junge Frauen, sichtlich betrunken, melden sich: Übelkeit, Unwohlsein und Benommenheit – aufgrund dieser Symptome endet ihre Silvesterparty an der Alfried-Krupp-Straße 21. Sie werden mit Infusionen versorgt und können ihren Rausch ausschlafen. Das Jahr ist mittlerweile fünf Stunden alt, da kommen noch zwei Männer, die gestürzt sind und deren Wunden genäht und geklebt werden müssen. Keine großen Eingriffe.
Um 6 Uhr endet die Schicht für die Pflegekräfte, die Ärzte werden um 8 Uhr abgelöst. Michael Brenchers Resümee: „Da hatten wir schon weitaus schlimmere Nächte.“