Essen. . Einer der wichtigsten Gestalter der Essener Stadtpolitik zieht sich aus dem Job zurück: Stadtwerke-Chef Bernhard Görgens hat stiekum seinen Schreibtisch geräumt.

Wenn sich am sonst so gern gepflegten großen Bahnhof beim Abschied aus dem alten Job wirklich der Einfluss eines Menschen ablesen lässt – dann ist da kurz vor Weihnachten an der Rüttenscheider Straße gehörig was schief gegangen.

Denn dort hat Bernhard Görgens, man möchte fast sagen: stiekum endgültig seinen Schreibtisch geräumt: 17 Jahre Beigeordneter und Stadtdirektor, elf Jahre Vorstandschef der Stadtwerke, Frontmann der Verkehrs- und Versorgungsholding EVV, einer der profiliertesten Christdemokraten der Stadt, Sportbund-Vorsitzender und vor allem: einer, der aus der zweiten Reihe und über Jahrzehnte mehr Einfluss auf die Geschicke dieser Stadt genommen hat, als mancher auf großer Bühne.

Mag sein, dass im Angesicht der Affäre um die Entsorgungsbetriebe bei der „Schwester“-Firma Stadtwerke ein groß angelegtes geselliges Beisammensein nicht so recht angeraten schien. Und die lange verschleppte Rats-Entscheidung um (s)eine letzte kurzzeitige Vertragsverlängerung dürfte auch eher Zurückhaltung befördert haben.

Aber wer Görgens kennt, weiß, dass auch der stille Abschied irgendwie zu ihm passt. Remmidemmi um seine Person war dem 67-Jährigen immer schon suspekt, es drängte ihn nicht vor den Vorhang, sondern eher nach hinten, ins Strategiezimmer.

Hier konnte Görgens seine Stärken ausspielen, und nach allem, was sich über sein Wirken in Erfahrung bringen lässt, hat dieser Einfluss auf Menschen und Entscheidungen dieser Stadt gut getan. Davon zeugt seine allgemeine Wertschätzung weit über Parteigrenzen hinweg, und vielleicht noch mehr die mangelnde Bereitschaft alter wie neuer Mitarbeiter, neugierigen Nachfragern gegenüber die Schwächen des Bosses aufzuzählen.

Vertrauen gegen Vertrauen: So hat Görgens – als Oberstleutnant und Bataillonskommandeur der Reserve – seine Mitarbeiter geführt, und so hat er Politik gemacht, um städtischer Interessen willen. Und zu dem Wenigen, das man an Kritik aus ihm herauskitzeln kann, wenn er auf die nachfolgende Polit-Garde schaut, gehört dies: dass das Interesse der Stadt mitunter weicht, um kurzfristige andere Interessen zu verfolgen.

Wen und was er meint? Da kommt ein freundliches Lächeln. Er mag anderen das Leben nicht schwer machen, das können diese nämlich selber gut genug. Stattdessen kokettiert er über seine natürliche Autorität mit dem augenzwinkernden Hinweis, dass sich „das Faulsein eben nur erlauben kann, wer gute Leute um sich schart“.

Und es hilft natürlich ungemein, wenn man selbst was auf dem Kasten hat: im Falle von Bernhard Görgens ein Turbo-Studium der Juristerei, das ihn Anfang der 1980er Jahre zum Zivilrichter am Duisburger Landgericht machte – mit der höchsten Vergleichsquote im ganzen Oberlandesgerichts-Bezirk. Warum? Darum: „Wenn beide Parteien mit einer Regelung leben können, ist mehr für den Rechtsfrieden getan, als wenn man ein Urteil erzwingt.“

Diesen Ausgleich hat Görgens auch in der Politik gesucht, bei denen, die ihm zuarbeiteten – und wohl auch bei denen, die gar nicht wussten, dass er im Hintergrund mitwirkte. Jetzt also Zapfenstreich.

Görgens wird nicht Knall auf Fall von der Bildfläche verschwinden, aber er weiß zu gut: Ohne seinen Job, ohne den alten Apparat fallen die Möglichkeiten deutlich geringer aus. Man muss wohl sagen: schade drum.