Auf dem Rücken der Pferde liegt das Glück der Erde - so heißt es im Volksmund. Und auf dem Carolinenhof in Essen stimmt das auch: Dort erhalten Kinder mit einer geistigen Behinderung Reitunterricht.
Als Daniela im Sommer das erste Mal auf den Carolinenhof kam, zuckte sie beim Anblick eines krabbelnden Käfers zusammen. Auf der Stallgasse zwischen den Pferden bewegte sie sich ganz hektisch, wirkte rastlos. „Sie ist ein sehr ängstliches Kind“, beschreibt ihre Mutter Miroslawa Zywicka-Emeneh (36) die Achtjährige, die mit dem Down-Syndrom zur Welt kam. Sich auf eine Sache zu konzentrieren fällt Daniela schwer, sie braucht zudem viel Aufmerksamkeit. Klettert das Mädchen aber auf den Rücken des Isländers Teddy, sitzt sie ruhig und zufrieden hoch zu Ross, nichts kann sie ablenken.
„Anfangs haben wir Daniela selbst im langsamen Schritt festhalten müssen“, erinnert sich Randi Regener, Reitpädagogin im integrativen Reitstall in Kettwig. Heute hält Daniela die Zügel fest in den Händen, wenn Teddy an der Longe in der Halle trabt. Seine kleine Reiterin genießt die gleichmäßigen Bewegungen, die sie mit ihrem Körper mitgeht.
Das heilpädagogische Reiten hilft ihr, Gleichgewicht, Grundhaltung und Muskelspannung zu verbessern, erklärt die Pädagogin. Gleichzeitig dient das Pferd aber auch dazu, etwa ihre sprachliche Entwicklung zu fördern. „Der Weg zu den Kindern führt über das Pferd“, sagt Randi Regener. Daniela erzählt inzwischen, was sie zu Hause oder in der Schule erlebt hat.
Lachend und jauchzend dreht Jerome (4) seine Runden seit der ersten Reitstunde. Seine Bewegungen sind wegen einer Spastik eingeschränkt, beim Reiten aber hält auch er nun sein Gleichgewicht auf dem Pferd. Gleichzeitig zeigt Jerome ganz deutlich, was er möchte und drückt das nun in Lauten verstärkt aus, sagt die Reitpädagogin. Denn die Pferde und der Unterricht stärken nicht nur Haltung und Bewegungen der Kinder, sie geben ihnen auch Selbstvertrauen.
Daniela erzählt gern: „Ich kann reiten“. Auf dem Pferderücken stellt sie sich sogar hin und reißt ihre Arme hoch. Bald soll sie die nächste, schnellere Gangart lernen und ihre Balance auch im Galopp trainieren. „Sie kann dann in die Gruppe wechseln und mit den anderen Kindern reiten“, sagt Randi Regener über Danielas Fortschritte. In Partnerübungen geht es unter anderem um Kooperation und Rücksicht.
Mit Teddy hat Daniela bereits gelernt, was das Pferd mag. Ruppig am Schweif zu reißen, findet Teddy nicht schön, hat ihr die Reitpädagogin beim Striegeln erklärt. Denn für Daniela gehört bereits vor dem Reiten der Umgang mit dem Tier zum wichtigen Ritual, um Handlungen zu planen, Strukturen und Regeln zu akzeptieren. So holt sie Teddy aus der Herde, bürstet sein dichtes, weiches Winterfell und schmiegt ihr Gesicht an den Pferdebauch, bevor sie seine Hufe auskratzt.
„Daran wäre anfangs gar nicht zu denken gewesen“, sagt Randi Regener. Oft falle es den Kindern leichter, aufs Pferd zu steigen, als sie zu streicheln. Daniela aber wächst an diesem Tag über sich hinaus, steckt Teddy zum ersten Mal eine Möhre ins Maul, die sie bis dahin auf den Boden geworfen hat: „Hier Teddy.“ Gehörigen Respekt vor den Pferden hat allein noch ihre Mutter.