Diesmal war nix mit der „Wildsau“: Patricia Kopatchinskaja spielt in der Essener Philharmonie gemeinsam mit dem London Philharmonic Orchestra und seinem grandiosen Dirigenten Vladimir Jurowski gegen das Etikett an, das ihr einmal erfolgreich aufgedrückt wurde: Das zweite Prokofjew-Violinkonzert kann man auch anders beginnen als die moldawische Geigerin. Sie startet leise, als habe sie einen Fetzen einer Melodie wie zufällig aus der Luft gefangen und banne ihn nun in den Zauberkreis ihrer Geige.

Klar geht sie zur Sache, mit feurig-risikobereitem Strich, mit unglaublichen Farben, mit den hohen Tönen auf den tiefen G- und D-Saiten. Aber Kopatchinskaja sucht nicht exzentrisch nach dem Effekt eines wilden, rauen Tons. Sondern setzt ihr Spiel-Temperament in Bezug zu den Farben des Orchesters, erreicht die emotionale Tiefenschicht einer Musik, die viele nur kühl-artistisch verstehen.

Das London Philharmonic und sein russischer Dirigent, einer der Aufsteiger des neuen Jahrtausends, verstehen sich gut: Nikolai Rimski-Korsakows Suite aus der Oper „Die Nacht vor Weihnachten“ findet rasch glitzernde Helle, teuflische Tiefe des gedämpften Blechs, aggressiven Prunk in der scharfkantigen Polonaise. Und man fragt sich, warum es in den Theater immer nur „Hänsel und Gretel“ gibt: Russland bietet bezaubernde Opern für Weihnachten – man muss sie nur mal machen!