Essen. Stadtdirektor Hans-Jürgen Best warb als Interview-Gast des WAZ-Leserbeirats für die Messe-Investition, hätte nichts gegen die „kleine Düse“ am Flughafen Essen-Mülheim einzuwenden und fand überraschend kritische Worte zu den Stadttöchtern.
Spitzenbeamte wägen in der Regel jedes Wort - um dann doch oft lieber gar nichts zu sagen. Hans-Jürgen Best ist da ein bisschen anders. Der Essener Stadtdirektor und Dezernent für Stadtplanung beeindruckte den WAZ-Leserbeirat jüngst mit offenen Einschätzungen und Wertungen zu Themen, die derzeit auf den Nägeln brennen.
Gleich die erste Frage - wegen des EBE-Skandals wenig überraschend - galt den städtischen Töchtern: „Hat die Stadt überhaupt noch Einfluss?“, wollte Leserbeirat Norbert Schlegel wissen und Ute Müller fragte, ob ihre Gründung wirklich sinnvoll war. „Da habe ich zunehmend Zweifel“, gab Best unumwunden zu. Er kam auf mittlerweile 71 Töchter und Eigenbetriebe, die zusammen in etwa genau so viele Menschen beschäftigen wie die Kernverwaltung.
Großer Gewinner sind die leitenden Mitarbeiter
„Sinn der Sache war es ursprünglich, dass diese Gesellschaften sich anders als ein Stadtamt freier am Markt bewegen können und Aufträge hereinholen“, so Best. Im Idealfall sollten sie sogar gewinnträchtig sein. Best unterstrich zwar, dass bei vielen Stadttöchtern gute Arbeit geleistet würde, die großen Gewinner seien aber wohl in erster Linie die leitenden Mitarbeiter dieser Unternehmen. Diese würden bisweilen doppelt so gut entlohnt wie zu Zeiten als sie ähnliche Positionen in Stadtämtern inne hatten, „und das sage ich nicht, weil ich neidisch wäre“.
Beiratsmitglied Ekkehard Boß wollte wissen: „Wie geht es am Flughafen Essen/Mülheim weiter?“ Auch ein schwieriges Thema. Bis 2034, so Best, habe der Aeroclub Flugrechte, solange könne der Schließungsbeschluss der Räte in Essen und Mülheim nicht umgesetzt werden. Best ließ erkennen, dass er es richtig gefunden hätte, den defizitären Flughafen für moderne kleine Düsenflieger zu öffnen. „Die sind leiser als die Propellermaschinen.“ Der Flughafen Düsseldorf hätte dies als willkommene Entlastung gut bezahlt. Folge: Einnahmen auch für die Stadt Essen. „Politisch war und ist das aber nicht umsetzbar.“
WAZ-Leserbeirat trifft Entscheider aus der Stadt
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Wenn Schließung, dann plädiert Best dafür, schon jetzt auf dem 150 Hektar großen Flughafengelände („ein Drittel gehört zu Essen“) ein großes neues Wohngebiet anzupeilen. „Eine große Chance, wir kämpfen um jeden Hektar Wohnbaufläche.“
Natürlich auch ein Thema: die Messe. „Müssen wir uns unbedingt auch als Messe-Standort mit viel reicheren Städten messen?“, fragte Katrin Hartmann. Best gab zu bedenken, dass auf jeden Fall etwas geschehen müsse, da die Aussteller seit mindestens zehn Jahren den Zustand einiger Hallen kritisieren. Es sei aber durchaus klug, den baulichen Auftritt der Messe insgesamt zu verbessern, auch wenn dies teurer ist. „Am meisten wird das übrigens dem Grugapark nutzen.“ Und: „Keineswegs müssen für die Messe andere städtische Aufgaben zurückstehen“, betonte der Dezernent, der an die Bürger appellierte, die Messe beim Bürgerentscheid am 19. Januar nicht vor die Wand fahren zu lassen: „Die Stadt investiert hier, damit ganz Essen davon profitiert.“ Zu kritisieren sei viel eher der späte Zeitpunkt: „In dieser Stadt dauert es generell viel zu lange, bis Entscheidungen fallen.“