Essen.. Der Essener NPD-Ratsherr Marcel Haliti wurde bei einer Schlägerei verletzt. Seine Partei beschuldigt eine „mindestens fünfköpfige Ausländerbande“. Die Polizei berichtet von einem Schlagabtausch zwei gegen zwei – und einem Verdächtigen mit blonden Haaren. Nicht der einzige Widerspruch.
„Feiger - mit Messern und Pistolen bewaffneter - Ausländerpöbel überfällt NPD-Ratsherr Marcel Haliti.“ Unter dieser Überschrift feiert die NPD den Vorsitzenden ihres Essener Kreisverbandes im Internet auf allen Kanälen als Opfer „einer Bande Kulturbereicherer“. Den 30-Jährigen und einen 28 Jahre alten Begleiter habe Sonntagnacht in Essen-Borbeck eine „mindestens fünfköpfige, bewaffnete Ausländerbande im Alter zwischen 20 und 30 Jahren“ zusammengeschlagen, meldet etwa der Landesverband mit kalkulierter Entrüstung. Auf ihrer Webseite dokumentiert die NRW-NPD den vermeintlich „feigen Überfall“ mit einem Foto, das Haliti mit blutverschmiertem Gesicht und verbundenem Kopf zeigt. Was die Polizei bislang zu der Schlägerei herausgefunden hat, zu der sie Sonntagnacht um 4 Uhr vor die Gaststätte „Wienforth“ gerufen wurde, deckt sich allerdings nur in Auszügen mit der Hetze der Rechtsextremen.
Gesichert ist: Tatsächlich trug Halitis Begleiter auf der Johannes-Brokamp-Straße eine Platzwunde davon, und Halitis blutende Gesichtsverletzungen wurden im Uni-Klinikum behandelt. Die Polizei geht dem Verdacht der schweren Körperverletzung nach und bindet ihre Staatsschützer in die Ermittlungen ein. Bislang aber, erklärt Polizeisprecher Peter Elke, gebe es „keine Hinweise darauf, dass die flüchtigen Tatverdächtigen einen Migrationshintergrund haben“. Obendrein hätten die beiden Beteiligten und mehrere Zeugen unterschiedliche Angaben zur Zahl der mutmaßlichen Angreifer gemacht. Während Haliti von einer „Gruppe Ausländer“, seine Partei von „mindestens fünf Fremdländern“ berichtet, sucht die Polizei nur zwei Flüchtige. Einer soll Anfang, der andere Mitte 20 sein. Und: „Der Jüngere soll kurze blonde Haare und eine auffällige Irokesen-Frisur gehabt haben“, gibt Elke die Zeugenaussagen wieder.
Alle Beteiligten sollen laut Polizei Schläge ausgeteilt haben
Klingt nicht gerade nach einer „Ausländerbande“. Ungeachtet dessen schlachtet die Partei den Vorfall ganz ohne Vorsicht für ihre fremdenfeindliche Politik aus – als hinterhältigen Anschlag auf einen „Kameraden“: „Als die mindestens fünf mit Pistolen und Messern bewaffneten Fremdländer ihre Überzahl bemerkten und einen günstigen Moment abpassten, bedrohten sie die beiden Nationaldemokraten, richteten ihre Pistolen auf sie und fingen an die beiden zusammenzuschlagen und zu treten.“
Das Facebook-Posting des Essener NPD-Kreisverbandes zu dem Vorfall auf der Johannes-Brokamp-Straße kommentiert ein Mitglied des NRW-Vorstandes entsprechend so: „Die widerwärtigen Subjekte werden dafür eines Tages bezahlen, denn die Quittung kommt immer zuletzt.“ Auch Haliti selbst, der in der rechten Szene selbst umstritten ist, sich in der NPD jedoch als Organisator von Kundgebungen und Provokateur etablieren konnte, berichtet seinen Facebook-Freunden öffentlich ausführlich über die Attacke.
Auch diese Schilderungen weichen vom Bericht der Polizei ab: Laut Zeugen sollen alle vier Beteiligten Schläge ausgeteilt haben.
Zu betrunken, um auszusagen
Ein weiterer Widerspruch: Die Tatverdächtigen, so der aktuelle Stand der Ermittlungen, sollen vor der Schlägerei ebenfalls in der Kneipe gewesen sein. Was außerdem weder der Ratsherr, der bei der Bundestagswahl im Wahlkreis Mülheim/Essen I 1,68 Prozent der Erststimmen erhielt, noch seine Partei erwähnen: Haliti und sein Begleiter waren nach Angaben der Polizei so betrunken, dass die Beamten ihre Aussagen in der Nacht nicht aufnehmen konnten.
Haliti brüstete sich auf seinem öffentlichen Facebook-Profil hingegen: „Da ich von den Schlägen so stark benommen war, kann ich Leider den weiteren Verlauf nicht 100-prozentig genau schildern.“ Immerhin schließen die Ermittler nicht aus, dass die beiden NPD-Männer tatsächlich mit Schusswaffen bedroht und geschlagen wurden.
Als einer der Federführer der Hetze gegen das Übergangswohnheim für Flüchtlinge in Frintrop rief Marcel Haliti zuletzt im September den Staatsschutz auf den Plan: Der 30-Jährige verschickte „jungnationale Kondome“ mit Verwendungszweck-Hinweis an Essener Politiker und den Oberbürgermeister. Geprüft wird nun, ob die Aktion „Kondome für Ausländer und ausgewählte Deutsche“ und Halitis Schreiben den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllt.