Es begann mit Spott, Hass und einem Missverständnis: Als Burak Copur vor fast zehn Jahren als erstes türkischstämmiges Ratsmitglied in den Essener Stadtrat einzog, war das nicht nur eine Premiere, sondern für manchen eine Provokation. Da feixten Mitglieder anderer Parteien, wenn der junge Grüne über Integration sprach und mit Begriffen wie „Willkommenskultur“ oder „Migrantenökonomie“ hantierte. Schlimmer war die Post, die er bekam: „Bestürzt haben mich rechtsextreme Hass- und Drohbriefe: Was ich als Türke in einem deutschem Parlament zu suchen hätte. Dabei bin ich deutscher Staatsbürger.“

Auch einige Ratskollegen stempelten ihn als „Türkenvertreter“ ab, zumal er das Themenfeld von Ausländerbehörde bis Zuwanderung so willig wie kundig besetzte: als Vorsitzender des Integrationsausschusses oder als Motor für das Welcome-Center. Es soll die Anlaufstelle für alle Neubürger aus dem Ausland sein und nicht auf Kontrolle setzen, sondern auf eine neue Willkommenskultur. Für Hardliner ist es eine spinnerte Idee, für Copur ein Vorzeigeprojekt. Er habe sich einen „Kampf mit der Ausländerbehörde“ geliefert, gegen eine „Abschottungskultur“ und die „unsägliche Sicherheitsschleuse“. Er hat sich dabei Respekt verdient; und inzwischen gibt es auch einen Ratsbeschluss zum Welcome-Center, das in den Gildehof einziehen soll. Ein Erfolg, sagt Copur – und träumt schon von einem repräsentativeren Standort.

Man mag zu dem Projekt stehen wie man will, für Copur ist es auch ein Beispiel für die Unwucht zwischen den ehrenamtlichen Ratsleuten und den hauptamtlichen Verwaltungsmitarbeitern. „Die Verwaltung kann Berge versetzen – oder Vorhaben blockieren. Denn sie hat das Herrschaftswissen, auf das wir angewiesen sind.“ Gerade bei komplexen Entscheidungen wie Energie-Geschäften sei der Vorrang der Politik eine Illusion: „Sind Politiker in diesen Fragen unsicher, neigen sie eher dazu, den Empfehlungen der Verwaltung zu folgen.“ Das könne zu Fehlentscheidungen führen.

Um diesem Missstand zu begegnen, müsse man die Kommunalpolitik „teilweise professionalisieren“, zumal die Sitzungstermine „lebensfremd und arbeitnehmerfeindlich“ seien – mit der Folge eines überalterten Rates. Der verliert nun ein Mitglied, das erst 36 Jahre alt ist und sich zukünftig ganz seinem Job im Schulministerium widmen will.

Von den zehn Jahren im Rat bleiben Fachwissen, Freundschaften – und ein „politisches Meisterstück“. Als solches hat Copur die Arbeit im Viererbündnis von CDU, Grünen, FDP und EBB erlebt, das zunächst nur aus der Opposition zur ewigen SPD-Alleinregierung entstanden sei, aber Mutiges angestoßen habe. „Trotzdem bin ich unsicher, ob das Vierer-Bündnis nach der Kommunalwahl 2014 Bestand haben wird.“