Es gibt Fotografien, die man nie wieder vergisst, weil sie sich, einzig in ihrer Art und Aussage, tief in das kollektive Bewusstsein eingegraben haben: Weltgeschichte wie unter einem Brennglas gebündelt. Robert Capas „Falling Soldier“ im Spanischen Bürgerkrieg gehört dazu wie Henri Cartier-Bressons Aufnahme von der Beerdigung Mahatma Gandhis. Abzüge beider Bilder und viele grandiose Magnum-Klassiker mehr sind seit einiger Zeit im Besitz des Museum Folkwang. Ein Bilderschatz, der in einer Schachtel lag, als ihn der Schweizer Fotograf, Journalist und Giacometti-Porträtist Ernst Scheidegger vor einigen Monaten ans Folkwang gab. Die heute so kostbaren Vintage Prints von Kollegen wie Werner Bischoff, Ernst Haas und David Seymour waren damals Tauschgeschäfte, „Bilder unter Freunden“, und sind nun erstmals ausgestellt.

Und dann gibt es noch diese flirrende Bilderwelt, die Zufall und Unschärfe zulässt, die das Kleine wichtig und das Große auch mal nichtig erscheinen lässt, selbst wenn es ein Elefant in einer New Yorker Kunstgalerie ist. Wie bei Turner-Preisträger Douglas Gordon, der das Museum zum Spiegelzimmer seiner eigenen Geschichten, Erinnerungen, Familienbilder macht. „Everything is nothing without its reflection?“ heißt dieses wandhohe, formatsprengende Bildermemory zwischen Empire State Building und gebratenem Bacon, zwischen Opa Gordon und einem Polaroid vom Sohnemann.

Das Museum Folkwang schlägt die Brücke vom perfekten Einzelbild zur privaten Erzählung, von der fotografischen Ikone zur künstlerischen Installation in einer Doppelausstellung, mit der Florian Ebner, Chef der Fotografischen Sammlung, die Beschäftigung mit den verschiedenen Gesichtern der Fotografie weiterführt. Seine Ausstellung „Kairo. Offene Stadt“ ist gerade zur Ausstellung des Jahres gekürt worden. Die Schau hat sich mit einer neuen Form des berichtenden Bildes, mit Handyfotografie und Bürgerjournalismus beschäftigt und ist auch in der Präsentation neue Wege gegangen.

Alte Stellwände reaktiviert

„Es war der Versuch, den global zirkulierenden, virtuellen Bildern des Internets eine ganz konkrete, physisch wahrnehmbare Architektur entgegenzusetzen, deren Alter und deren Gebrauchsspuren gut zur Bildkultur der Revolution, aber auch der Not und Armut passen“, erklärt Ebner das mutige Konzept und weiter: „Es gehörte zur leisen Ironie, dass es sich bei den Stellwänden um die entsorgten Stellwände des alten Museum Folkwang handelte, die zu diesem Zweck reaktiviert wurden. Ich denke, dass die Szenographie solcher Ausstellungen nicht unerheblich ist und eben auch viel an Bedeutung transportiert.“