Essen. Offensiv statt anonym: In einem Pilotprojekt setzt das JobCenter auf „digitale Profile“. Videos, ein Lebenslauf und ein Foto gehören dazu. 120 Bewerber sind schon online.

Janine Faust sucht einen neuen Job – als Empfangskraft, Debitorenbuchhalterin oder Bürosachbearbeiterin: „Ich liebe Bilanzen und alles, was mit Zahlen zu tun hat. Und  ich bin flexibel.“ Muss die 23-Jährige auch sein, denn sie ist Langzeitarbeitslose, eine von 29.000 in der Stadt, die vom „JobCenter“ betreut werden. Das hat sich nun unter www.essen-jobcenter.de etwas neues einfallen lassen, um seine Hartz-IV-Kunden in Ar­­beit zu bringen: „digitale Profile“. Gemeinsam mit der Firma „Neue Medien in der Bildung“ aus Kassel geht das JobCenter so neue Wege beim Vermitteln von Arbeitssuchenden.

„Wir wollen die Chance nutzen, ei­nen anderen Weg zu gehen – weg von der anonymen, hin zur aggressiven, progressiven Bewerbung. Denn wir wollen zeigen: Un­sere Kunden sind tolle Persönlichkeiten mit einer tollen Ausstrahlung und Menschen, die arbeiten wollen. Dafür legen sie sich ins Zeug“, sagt Bodo Kalveram, Leiter der „Zentralen Dienste“.

Investitionen kommen durch Vermittlung wieder rein

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Los geht’s für die JobCenter-Kunden mit einem Vorgespräch, gefolgt von drei Stationen: In der Textstati­on entwickeln sie Antworten auf jeweils fünf Fragen: „Ich bin…“, „Meine Ausbildung…“, „Ich habe Berufserfahrung…“, „Ich suche eine Aufgabe als…“, „Ich halte mich…“ Außerdem feilen sie an Gestik und Mimik. In der zweiten Station werden sie geschminkt; darum kümmert sich die professionelle Maskenbildnerin Nicole Masztalerz. Dann – in der dritten Station – werden fünf Videos der Bewerber aufgenommen und Fotos geschossen. Danach fließen al­le Informationen im Internet zusammen, jedes mit einer Nummer versehen; Namen werden dort nicht genannt. „Dieses System setzen wir ebenfalls für Führungskräfte der Telekom ein, für Manager“, sagt Ulrich Leinweber vom Partner aus Kassel.

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  „Un­sere Vermittler und Stellenakquisiteure nehmen die Bewerber auf ihrem Mobiltelefon oder Tablet-Computer mit zu den Arbeitgebern. Ihre Botschaft ‘Ich habe da jemanden für Sie!’ können sie mit ei­ner lebendigen, glaubwürdigen und überprüfbaren Visitenkarte des Bewerbers untermauern. Pro Arbeitssuchenden wird ein mittlerer dreistelliger Betrag investiert, doch der sei schnell wieder raus, wenn derjenige vermittelt wird. Und das sei seit Projektbeginn im Oktober schon häufig passiert. „Denn oft entsprechen un­sere Kunden nicht den langläufigen Vorurteilen, die ein Großteil der Ar­beitgeber von Hartz-IV-Bezieher im Kopf haben“, so Kalveram.

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Nenad Horvat, Geschäftsstellenleiter beim Versicherer Debeka Essen-Mitte, ist angetan von den digitalen Profilen: „Ich finde das sensationell. Wir suchen ständig Personal in einem umfangreichen Maße. Ich erhalte viele Bewerbungen, schriftlich und per Mail – da muss ich nach meinen Kriterien auswählen: wen lade ich ein und wen nicht. Durch die Profile kann ich mir einen sehr guten Eindruck machen.“ Ob ein Bewerber passt oder nicht, weiß Horvat im Normalfall nach zehn Minuten Gespräch. „Die Profile nehmen mir Ar­beit ab. Denn ob jemand Ausstrahlung besitze, sehe ich schließlich auf dem Papier ja schließlich nicht – jedoch im Video“, betont Horvat.

Digitale Profile sind kostenlos

Der „JobService“ ist der Ansprechpartner für alle Arbeitgeber beim JobCenter Essen. Die Vermittler beraten Unternehmer und Betriebsleiter kostenfrei bei der Suche nach neuen Mitarbeitern, stellen Arbeitgebern geeignete Bewerber vor, informieren über Einstellungshilfen und passende Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen.

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120 Bewerberprofile sind aktuell im Portal eingestellt, 200 sollen es bis Ende des Jahres werden. Fast 1400 Nutzer haben die Profile schon aufgerufen und sich insgesamt rund 10.200 Seiten angeschaut. Finanziert wird die digitale Bewerbung aus dem Vermittlungsbudget des JobCenters; für die Arbeitssuchenden ist die neue Form der Bewerbung kostenfrei.

Weitere Informationen für Arbeitgeber gibt es unter: 88 56 777