Philipp ist 12 und hält einen Brief in den Händen. Den hat ihm ein Schüler aus England geschrieben. „Voll ungewöhnlich“ findet er das. Er dreht und wendet das eng beschriebene Blatt Papier, beginnt zu lesen.
An diesem Morgen bekommen die Jungen der Klasse 6c des Theodor-Heuss-Gymnasiums alle Post. Referendarin Rita Warkentin verteilt die bunten Umschläge. Sie hat die Brieffreundschaften initiiert. Sie findet, dass „Briefe schreiben und zu bekommen, einfach mal etwas anderes ist, als übers Internet zu kommunizieren“.
Flo hat noch nie einenrichtigen Brief bekommen
Tim bekommt nur drei Mal im Jahr Post - „von Leuten aus Österreich“ und Flo hat noch nie einen richtigen Brief erhalten. Dominic erhält nur zum Geburtstag noch „richtige Post“. SMS schreiben, E-Mails verschicken oder Skypen - das ist der Kommunikationsalltag der Kinder.
Rita Warkentin hat als Assistenslehrerin in England gearbeitet, bevor sie ihr Referendariat an der Kettwiger Schule begann. Der gute Kontakt zu einer Kollegin dort ist geblieben - und so entstand die Idee dieser Brieffreundschaft. „Die englischen Schüler besuchen eine Einrichtung in Tipton in West Midlands. Sie haben ihre Briefe auf Deutsch verfasst - „und wir werden wahrscheinlich in englischer Sprache antworten“, sagt die 26-Jährige. Marvins Briefkontakt ist ein Mädchen - „das ist nicht nur praktisch, sondern cool“, findet er und grinst breit.
Auch Shawn hat Post von einer jungen Engländerin bekommen. „Die schreibt am Ende des Briefes, dass ich auf jeden Fall antworten soll.“ Und dann stehe da noch etwas... Shawn verzieht das Gesicht, als er vorliest: „Ich liebe Justin Bieber.“ Nur rein zufällig sind in dieser Englischgruppe am THG nur Jungen. Und die stöhnen alle gleichzeitig auf. Justin Bieber... Muss das denn sein...
Jetzt ist auch England ein Thema, das den Schülern sehr nah ist. Noch keiner war auf der Insel. Aber ein bisschen mehr darüber möchte man wissen. Rita Warkentin hat schon viel erreicht. „Die Motivation, sich mit einer Sprache zu beschäftigen, ist vor solch einem realen Hintergrund einfach viel größer.“ Und um den Kreis zur Neuzeit zu schließen: „Später können sie dann ja auch skypen und schauen, wie ihre Brieffreunde so aussehen.“
Wenn es ans Antworten geht, weiß zumindest Eliot schon ganz genau, was er schreiben wird: „Ich hasse Justin Bieber“...