Essen. Der Hohlraum unter den Gleisanlagen am Essener Hauptbahnhof ist bereits in Teilen verfüllt. Möglicherweise befindet sich auch eine Fliegerbombe auf dem Gelände. Experten suchen nun mit speziellen Sonden nach dem möglichen Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg. In jedem Fall ist mit massiven Verspätungen zu rechnen.

Der alte Bergwerks-Stollen wächst sich zur Dauerbaustelle aus: Seit am Mittwoch im Umfeld des Hauptbahnhofs ein unterirdischer Hohlraum entdeckt wurde, müssen Zugreisende zum Teil massive Verspätungen in Kauf nehmen. Nun wurden mehrere Bohrungen vorgenommen und bereits Teile des Stollens mit Beton verfüllt. Die Beeinträchtigungen werden aber noch mindestens bis zum kommenden Freitag andauern, erklärte Bergdirektor Peter Hogrebe von der Bezirksregierung Arnsberg. Zu allem Überfluss wird dort zudem ein Bombenblindgänger vermutet.

„Der Stollen an sich ist nicht problematisch, brisant ist aber die Lage unterhalb einer Hauptstrecke“, sagt Hogrebe. Ein Einsturz und ein Absacken der Gleise könne unangenehme Folgen haben, so Hogrebe weiter.

Handwerker hatten den Hohlraum während der Abrissarbeiten am alten AEG-Verwaltungsgebäude auf der Kruppstraße bemerkt. Auf dem Gelände entsteht demnächst die neue Konzernzentrale der Bahnlogistik-Tochter DB-Schenker. Dass unter dem Bürogebäude ein Bergwerksstollen verläuft war den Bauherren bekannt, da Arbeiten unter Tage aber erst ab 1870 systematisch kartiert wurden, konnte der nun entdeckte Teilstollen bislang verborgen bleiben.

„An dieser Stelle wurde bereits ab 1840 nach Kohle gegraben“, berichtet Uwe Dee, der zwar privat vor Ort ist, aber durch seine langjährige Tätigkeit als Gutachter für Kanalsanierung und -inspektion gut mit der Materie vertraut ist. Die Kohle lag so nah unter der Oberfläche, dass bereits vor Beginn der offiziellen Aufzeichnungen mit einfachsten Mitteln entlang des Flöz Sonnenschein Kohle gefördert wurde.

Der problematische Teil des Stollens „Hoffnung & Secretarius et Aak“ verläuft auf einer Länge von circa 80 Metern leicht schräg von Norden nach Süden, also von der Hachestraße bis zur Kruppstraße und darüber hinaus. Vermutet wird eine Höhe von zwei Metern und eine Breite von einem Meter. „Wir reden hier über einen sogenannten Querschlag, also eine Verbindung zu anderen Stollen, mit dessen Hilfe die Luftzirkulation sichergestellt wurde. Man kann daher auch nur sehr schwer sagen, wie groß der Hohlraum wirklich ist“, betont der 57-Jährige. Uwe Dee: „Allerdings gibt es im Ruhrgebiet überall unterirdische Gänge. Wir sind nun mal eine Bergbauregion.“

Sollte es zu einem Einsturz kommen, würden die Bahngleise nach Ansicht von Dee nur „minimalst“ nachgeben. Dafür spricht seiner Meinung nach auch die Tiefe des Hohlraums. „Der Stollen befindet sich 16 Meter unter der Erde, dazu kommen noch mal die fünf Meter, auf denen das Gleisbett gebaut ist, also 21 Meter insgesamt,“ so Dee. Da sich Schächte mit zunehmender Tiefe selbst verschließen, dürfte ein Teil der Gefahr bereits bereits gebannt sein.

Um die Sicherheit für den Bahnverkehr zu gewährleisten, wurden bereits in der Nacht zu Freitag erste Bohrungen durchgeführt. Einige der Bohrungen verlaufen schräg, um in die Flöze einzudringen, andere wiederum senkrecht, um die tatsächliche Länge des Stollens zu erfassen. In den Mittagsstunden war das Areal unterhalb des AEG-Gebäudes bereits mit 220 Kubikmetern bereits verfüllt. Noch den ganzen Freitag über wurde an der Bert-Brecht-Straße Beton angemischt, der über ein orangefarbenes Rohr unter die Erde floss.

Nach Angaben von Bergdirektor Peter Hogrebe belaufen sich die Kosten für die bergtechnischen Arbeiten auf „mehrere hunderttausend Euro“. Nun gehe es vor allem darum, zu prüfen, ob der Hohlraum auch tatsächlich dicht verschlossen sei. Sollte der Hohlraum allerdings mit anderen Stollen verbunden sein, wären womöglich weitere Verfüllungen notwendig.

Die Bahn wird bis dahin nur eingeschränkt verkehren dürfen. Der Fernverkehr wird bereits seit Mittwoch in weiten Teilen über Oberhausen und Gelsenkirchen umgeleitet. Die Züge, die noch über Essen verkehren, fahren über weite Strecken nur mit Schrittgeschwindigkeit. Maximal fünf Stundenkilometer hat die Bahn erlaubt.

Für weitere Verzögerungen könnte zudem eine Fliegerbombe sorgen. Mitarbeiter eines Kampfmittelbeseitigungs-Unternehmens suchen entlang der Bohrstellen mit Hilfe von hochempfindlichen Sonden nach einem möglichen Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg. Insgesamt 37 Bohrungen sollen nun für Klarheit sorgen. Auslöser für den Verdacht sind Luftaufnahmen der alliierten Streitkräfte aus dem Gebiet des Hauptbahnhofs.