Essen-Borbeck. Die ehemaligen Mitarbeiter der legendären Stern-Brauerei finden immer noch regelmäßig zusammen und erinnern sich an die guten alten Zeiten. In der Dampfe haben sie den passenden Treffpunkt.

Stimmengewirr dringt aus dem Braustüberl in der Borbecker Dampfbierbrauerei: „Mensch, weißt du noch…?“, „Lange nicht gesehen und trotzdem wiedererkannt…“, „Was macht eigentlich Edgar…?“, schallt es aus dem holzvertäfelten Saal. Drinnen wird es langsam voll beim zehnten Treffen der ehemaligen Kollegen der Stern-Brauerei. Rechts sitzt der einstige Leiter der Rechtsabteilung neben Brauern, Bierkutschern, Technikern und Kaufleuten. Am Stehtisch umringt eine Handvoll pensionierter Sekretärinnen einen feschen Verkaufsleiter mit schütterem Haar und Einstecktuch im blauen Jackett.

Klassenunterschiede verwischen, alte Hierarchien sind aufgehoben. „Bei uns war es schon immer familiär und persönlich. Wir waren eine wunderbare Truppe bei Stern“, seufzt Herrmann Pogorentz, der das Essener Traditionsbier fassweise an Schalke und die Cranger Kirmes verkauft hat. 23 Jahre lang war er bei Stern, „bis 1989 endgültig Schluss war“.

"Von Stauder übernommen"

Ein Ende, das viele bis heute bedauern. Aber das auch absehbar war. „Zuletzt gehörten wir einer englischen Firma, dann wurden wir von Stauder übernommen“, erzählt der ehemalige Betriebsratsvorsitzende Bernhard Schellhoff, der von 1963 bis 1989 bei Stern war. Guten Verhandlungen war es zu verdanken, dass die 350 Mann starke Belegschaft komplett übernommen wurde.

Aber auch die, die sich einen neuen Wirkungskreis suchten, blieben dem Gerstensaft treu und kamen in anderen Ruhrgebiets-Brauereien unter. „Einmal Bier, immer Bier“, sagt Brauergeselle Heinz Antkowiak grinsend und beantwortet die Frage, wie lange er bei Stern war, wie aus der Pistole geschossen: „38 Jahre und sechs Monate.“ Jede Menge alte Fotos hat er mitgebracht, vom Sudhaus, den Flaschenabfüllanlage und den Lagerkellern. Alle Räumlichkeiten gehörten zur längst abgerissenen Brauerei auf der Rellinghauser Straße, „da wo sich heute der RWE-Turm in die Höhe reckt“. Immer, wenn der 73-Jährige dort vorbeifährt, wird er wehmütig.

Nostalgische Gefühle gehören dazu

Derweil sieht sich Bernhard Schelldorf gerade Bilder von einer der vielen Betriebs-Fußballmannschaften an. „Mensch, war ich da jung“, sagt er und zeigt auf einen schnauzbärtigen, athletischen Mann in kurzer Hose. Nostalgische Gefühle gehören bei so einem Treffen dazu. Einen Tisch weiter kursiert ein Fotoalbum: Seite für Seite zeigt es mit Fotos und persönlichen Anmerkungen versehene Traueranzeigen verstorbener Kollegen. „Wir werden immer weniger“, spricht Chefsekretärin Rosemarie Weiner aus, was alle denken.

Das hat auch für die Treffen Konsequenzen: Waren es beim ersten Treffen vor zehn Jahren über 80, sind es jetzt noch um 35 Sternleute, die den Weg ins Braustüberl gefunden haben. Das stand früher in der Stern-Brauerei, wurde vor dem Abriss 1:1 abgebaut und in Borbeck wieder aufgebaut. „Das ist ein Stück Heimat für uns. In dieser Kulisse haben wir schon vor 40 Jahren gefeiert“, sagt Schelldorf.