Es hätte der Ratsmehrheit gut angestanden, die Frontleute des Bürgerbegehrens fair zu behandeln. Doch am Ende überwog der alte Reflex. Ein Kommentar von Wolfgang Kintscher.
Wenn die einen ihre alten Weggefährten als „politische Mumien“ verspotten und andere von „Großkotz-Varianten“ im Messebau reden; wenn die einen öffentlich verkünden, dass sie sich für die anderen schämen und der OB sich sagen lassen muss, er sei „natürlich nicht der charismatische Kommunikator“, liege in diesem Fall aber (ergänze: ausnahmsweise) mal richtig; dann, ja, dann weiß der geneigte Zuhörer: Obacht, es ist Wahlkampf.
Gestern Nachmittag um halb vier hat er begonnen, da startete die mehr als zweistündige Debatte um den Messe-Teilneubau, die nun endgültig und offiziell die erwartbare Wendung genommen hat: Es kommt zum Bürgerentscheid am 19. Januar, und das ist, wenn man so will, eine willkommene Fingerübung für die eigene Kampagnenfähigkeit, bevor es vier Monate später bei den Wahlen zu Rat und Bezirksvertretungen ernst wird.
Und es ist, man mag es beklagen, nicht das Umfeld für wohl abgewogene sachliche Debatten. Man muss schon dankbar sein für die Erkenntnis, dass in der Messe-Auseinandersetzung „keiner über letzte Wahrheiten verfügt“, wie Thomas Kufen (CDU) bekannte. Auch der OB liegt wohl richtig, wenn er davor warnt, den Bürger-Begriff für eine Position zu missbrauchen. Aber es hätte dem Rat neben derlei warmen Worten eben auch gut angestanden, die eigene Selbstgefälligkeit zu durchbrechen und ein offensichtliches Missverständnis in der Frage des Rederechts dadurch zu heilen, dass man mit Professor Breyvogel, dem Frontmann des Begehrens, wenigstens noch ein kurze Replik auf zum Teil verletzende, ja, fast ehrabschneiderische Anwürfe ermöglicht. Weil nämlich demokratischer Stil sich nicht zuletzt daran misst, wie man mit Minderheiten umgeht.
Mag sein, dass auch die Initiatoren des Bürgerbegehrens in der Sache übers Ziel hinausschossen, als sie ihre 16.067 Unterstützer zur wahren Volksbewegung stilisierten.
Aber 16.067 Bürger sind eben auch nicht „nichts“ oder „gar nichts“, wie ausgerechnet Udo Bayer vom Essener Bürger Bündnis ätzte, jener Wählervereinigung, die ihre drei Ratssitze dem Votum von 8.875 Bürgern zur Kommunalwahl 2009 verdankt. Nicht Grüne und Linke haben an einer solchen Geringschätzung arg zu schlucken, dazu sind sie kommunalpolitisch erfahren genug.
Es ist vielmehr das schwer erträgliche Signal der Arroganz, das den für politischen Einsatz ohnehin schwer motivierbaren Bürgern signalisiert: Du interessierst uns nicht.