Essen. . War die Affäre um die Essener Entsorgungsbetriebe ein Einzelfall? Oberbürgermeister Reinhard Paß will, dass die rund 20 städtischen Töchter nun genaue Angaben zu Spenden und Sponsoring, Vergünstigungen und Vergaben, Beraterverträgen und Zuwendungen aller Art machen.

Lukrative Beraterverträge für eigene (Polit-)Kumpels und eine allzu lockere Vergabepraxis bei Aufträgen, dazu ein umstrittenes Belohnungs-System für die immer gleichen Spezis im Betrieb und allerlei Vergünstigungen im Graubereich zwischen Geschmäckle und Korruption – kein Zweifel, die Affäre um die Entsorgungsbetriebe Essen (EBE) bedient so ziemlich alle Vorurteile, die in den Köpfen einer kritischen, manchmal vielleicht auch überkritischen Öffentlichkeit über den vermeintlichen „Selbstbedienungsladen“ der städtischer Beteiligungen herumspuken.

Wer nachfragt, findet von dem anrüchigen Geschäftsgebaren, welches das private Entsorgungsunternehmen Remondis angeprangert hat, zwar manches bestätigt. Die juristische Beurteilung aber steht bis auf weiteres noch aus.

Der umstrittene Alltag bei den Entsorgungsbetrieben

Dennoch beschleicht den Oberbürgermeister offenbar das ungute Gefühl, der umstrittene Alltag bei den Entsorgungsbetrieben, er könnte womöglich doch kein Einzelfall sein, sondern im illustren Kreis der städtischen Beteiligungen auch andernorts eher die Regel.

Reinhard Paß möchte es genau wissen, und deshalb bekamen die Chefs von rund 20 städtischen Tochterfirmen am vergangenen Donnerstag nach Feierabend noch eine E-Mail aus dem Rathaus. „Im Auftrag von Herrn Oberbürgermeister Paß“ wandte sich da der Leiter des städtischen Beteiligungsmanagements, Patrick Schwefer, an Marketing-Chefin Eva Sunderbrink und die versammelte Männerschar mit der Anmerkung, die „Geschäftsvorfälle“ der EBE hätten „eine sicherlich im Grundsatz wünschenswerte politische und gesellschaftliche Diskussion über die geschäftliche Praxis“ befeuert. Und da über kurz oder lang auch Fragen zu anderen Stadt-Firmen zu erwarten seien, möge man doch bitte den beigefügten Fragenkatalog beantworten, und zwar, wie Schwefer freundlich, aber bestimmt formulierte, „zeitnah“.

Vier Themenbereichen aus den Geschäftsjahren von 2008 bis 2013

Was dann folgt, ist ein so üppiger Strauß von Fragen zu vier Themenbereichen aus den Geschäftsjahren von 2008 bis 2013, dass man ihn nur mit einem kurzen Formel auf den Punkt bringen kann: „Hose runter.“

Gefragt wird nach Spenden und Sponsorings, nach Vergünstigungen und Vergaben, nach Beraterverträgen und Zuwendungen aller Art: Wer hat profitiert? In welcher Höhe? Und warum?

Es geht dabei um das gesamte Spektrum der städtischen Unternehmungen, um Auftragsvolumina und Freikarten, Vergünstigungen für Geschäftspartner und Essens-Einladungen mit einem Wert oberhalb von 50 Euro. Und es geht um die Chefs selbst: „Erhalten Sie und /oder Ihre leitenden Mitarbeiter/innen Vergünstigungen von Vertragspartnern? Auf welcher Grundlage und in welcher Höhe...?“

Ganz gezielt wird auch nach der Beteiligung von Politikern gefragt, nach Mitgliedern von Rat und Bezirksvertretungen, nach Repräsentanten politischer Parteien, ja sogar nach indirekten Kontakten, etwa über Familienangehörige. Und auch hier die Frage: Haben die leitenden Leute selber profitiert? Und wenn ja: wie?

Das Geschäftsgebaren der Stadt-Töchter

Seit die Umfrage unter den Chefs der städtischen Beteiligungen in der Welt ist, schießen die Spekulationen darüber ins Kraut. Denn hinter den Kulissen ist längst klar, dass damit die Debatte weg von den Entsorgungsbetrieben (mit dem Oberbürgermeister als ersten Aufseher) hin zu einer allgemeinen Diskussion um das Geschäftsgebaren der Stadt-Töchter gelenkt wird. Das könnte, so mutmaßen manche, dem OB durchaus in den Kram passen, weil es seine Verantwortung relativiert.

Ob die Ergebnisse der Umfrage den Weg in die Öffentlichkeit finden sollen, schreibt der Chef des Beteiligungsmanagements nicht in seiner Mail. Aber nachfragen wird man, ganz bestimmt.