Essen. . Als Verkehrsrüpel angeklagt, am Ende ein sauberer Freispruch. Das Amtsgericht Essen glaubte drei Jungen nicht, dass ein Autofahrer einen von ihnen ohrfeigte, weil er zu langsam über die Straße lief.
Der Vorwurf klang hart und ließ an Wild-West-Methoden auf Essener Straßen denken: Angeklagt war ein 26 Jahre alter Student, weil er einen Zehnjährigen am Bein angefahren und anschließend noch geohrfeigt haben soll. Und das alles, weil der Junge zu langsam über die Holsterhauser Straße lief. Doch Amtsrichter Johannes Wecker glaubte dem Kind und seinen Freunden nicht. Nach zwei Prozesstagen sprach er den Autofahrer frei.
Im Kern hatten die Jungen die Szene übereinstimmend geschildert. Zu dritt seien sie über die Straße gegangen, die Fußgängerampel habe grünes Licht signalisiert. Da sei einem ein Trinkpäckchen hingefallen. Er hob es auf, war dadurch langsamer als seine Freunde, die schon den Bürgersteig erreicht hatten. Als die Ampel den Autofahrern Grün zeigte, sei der Angeklagte losgefahren und habe den Jungen am Schienbein berührt. Anschließend sei er ausgestiegen und habe dem Zehnjährige eine kräftige Ohrfeige verpasst.
Richter zweifelt
Schwer vorstellbar, so Richter Wecker im Urteil, sei es, dass drei Jungen so eine Geschichte ohne jeden Anlass erfinden. Aber schwer vorstellbar sei auch, dass ein Autofahrer auf diese Verkehrssituation derart reagiere.
Der Autofahrer hatte eine andere Geschichte geliefert, und für sie sprach aus Sicht des Gerichtes vieles. Er hätte bei grünem Licht losfahren wollen, hatte der Student erzählt, aber der Junge sei einfach vor seinem Auto stehengeblieben und habe Faxen gemacht. Da sei er ausgestiegen und habe den Jungen auf den Bürgersteig geschoben. Das sei alles gewesen.
Mit Lineal nachgemessen
Zweifel an der Anklage kamen bei der Schilderung des mutmaßlichen Opfers auf. Sein Schienbein sollte getroffen worden sein, aber Richter Wecker wies mit einem Lineal nach, dass die Stoßstange eines VW Golf den Jungen am Knie hätte treffen müssen. Wecker sah noch andere Abweichungen in den Aussagen und wunderte sich, dass alle Jungen die Geschmacksrichtung des Trinkpäckchens nennen konnten.
Gut vorzustellen ist laut Wecker, dass der Junge den Autofahrer tatsächlich provozierte und er schockiert war, dass dieser ihn rüde von der Fahrbahn schob. Darauf hätten die Jungen die Geschichte ein wenig erweitert, um ihm eins auszuwischen. Aufgeregt hätten sie das dann ihren Müttern erzählt. Damit erklärte der Richter, dass die Mütter im Prozess von den Angaben ihrer Kinder überzeugt waren.