Da staunten die Nachbarn nicht schlecht, als auf einmal eine 15 Meter hohe Nordmanntanne über ihrer Siedlung schwebte: Der Weihnachtsbaum auf dem Willy-Brandt-Platz kommt in diesem Jahr aus Dellwig. Insgesamt zweieinhalb Stunden dauerte es, um das Prachtexemplar zu fällen und mit einem 41-Tonner zu seinem neuen Platz vor dem Hauptbahnhof zu bringen und den Baum dann aufzustellen.

„Ein bisschen komisch ist es ja doch. Schließlich haben wir die Tanne vor 23 Jahren als kleines Weihnachtsbäumchen in unseren Garten gepflanzt“, erzählt Marion Kolkmann, die sich mit einem lachenden und einem weinenden Auge von ihrem „Familienmitglied“ trennen muss. „Bei den ganzen Stürmen in den vergangenen Jahren hatten wir einfach die Befürchtung, dass uns der Baum einmal umkippt“, so die Dellwigerin, nachdem sie die Krone des Baumes nach verlorenen gegangenen Federbällen abgesucht hat.

Viel besser als kaufen

Seit 1999 sucht die Essener Marketing Gesellschaft (EMG) Jahr für Jahr Spender für den großen Weihnachtsbaum auf dem Willy-Brandt-Platz. „Das ist viel besser, als ihn von irgendwoher zu kaufen“, findet Amelie Hoff von der EMG. Über 100 Angebote hatte sie im Rahmen der schönen Aktion zu bearbeiten, Mancher sieht hier auch eine günstige Gelegenheit, einen störenden Baum auf seinem Grundstück loszuwerden. Die Fällung eines großen Exemplars kostet sonst immerhin um die 1500 Euro.

Das soll Familie Kolkmann aber nicht unterstellt werden – ihr Baum erfüllt Idealmaße. Das ist jedoch nicht immer so. „Da sind manchmal schon recht krüppelige Gewächse darunter. Die Nordmanntanne der Familie Kolkmann sieht aber sehr schön aus und vor allem ist sie biegsam“, erläutert Landschaftsgärtner Thomas Banzhaf. Eine Fichte beispielsweise wäre zu brüchig. Banzhaf hat sich auch in diesem Jahr wieder die rund 30 Baum-Kandidaten, die in die engere Wahl kamen, im Internet oder vor Ort angesehen. Schließlich muss man mit einem 43-Meter-Kranwagen auch an den Baum der Wahl herangekommen und da geht es ganz schön eng zu.

„Kein Problem“, vermeldet aber Lastwagenfahrer Heinz Reinartz in Dellwig, nachdem der Kran die knapp zwei Tonnen schwere Tanne über die Siedlung hat schweben lassen, Helfer sie mit Spanngurten und Kabelbindern in XXL-Größe verschnürt haben und sich der Tross mit Polizei-Eskorte langsam auf den Weg zum Willy-Brand-Platz macht. Knapp 30 Minuten später bearbeiten die Landschaftsgärtner mit Motorsäge schon den Stamm, um ihn in einem Gully zu versenken. Wie man so einen Riesen fixiert, dass er auch beim Sturm nicht umfällt? Das, so sagt ein Helfer, werde nicht verraten: „Betriebsgeheimnis.“ Kein Geheimnis ist, dass das „Bäumchen“ in den kommenden Tagen mit rund 20 000 LED-Lampen geschmückt und bis zum 6. Januar leuchten wird.