Essen. . Es gibt Stipendien, um die sich jeder bewerben kann. Und es gibt andere, die nur auf Empfehlung vergeben werden – wie bei Francisca Gómez. Die Berliner Fotografin ist die 16. „Junge Kunst in Essen“-Stipendiatin.

Der Raum, ja fast ein Saal, im Kunsthaus Essen an der Rübezahlstraße wirkt noch ziemlich karg. Durch die großen Fenster dringt Sonnenlicht herein, fällt herab auf ein einige Negative und Fotografien auf dem langen Tisch, der mitten im alten Klassenzimmer steht. Auf ihm hat Francisca Gómez ihre Arbeiten ausgebreitet, Bilder aus Madrid, Detroit und Duisburg, die sie noch sichten muss. Gómez, 1981 in West-Berlin geboren, hat an der „Universität der Künste“ (UdK) studiert. Und ist nun Nummer 16 in der Reihe von Nachwuchskünstlern, die das nicht nur im Revier renommierte Stipendi­um „Junge Kunst in Essen“ erhalten haben. Vergeben wird es vom Kunsthaus Essen in Kooperation mit dem Kunstring Folkwang und der RWE Stiftung. Bewerben konnte sich die junge Frau jedoch nicht um das Stipendium – im Gegenteil – sie wurde vorgeschlagen. „Das ist der übliche Weg. Professoren deutscher Kunsthochschulen und Akademien üben das Vorschlagsrecht aus“, sagt Uwe Schramm, Vorstand und Kurator im Kunsthaus. Bevor Francisca Gómez aus 48 Einsendungen als bisher erste Fotografin ausgewählt wurde, war sie Meisterschülerin bei Professorin Ursula Neugebauer an der Berliner UdK. Nun widmet sich Gómez dem Ruhrgebiet, seinen vielen Bewohnern, vor allem aber seiner unverwechselbaren Architektur.

Häuser als soziale Körper

„Ich verstehe mich als konzeptionelle und nicht als Dokumentarfo­tografin. Es geht um die Recherche und um Materialität“, sagt Gómez , die „Häuser als soziale Körper“ betrachtet. Es gehe dabei um urbane Identitätsbildung: Wie leben Menschen in den sich wandelnden Städten der Gegenwart? Diese Frage lasse sich auch und vielleicht gerade am Beispiel des Ruhrgebiets vielseitig ausloten. Gómez: „Ich hab’ mich mit dem industriellen Auf- und Niedergang in Detroit auseinandergesetzt, das Ruhrgebiet bietet Parallelen. Natürlich gibt es auch viele Un­terschiede.“

Bildmaterial aus Madrid.
Bildmaterial aus Madrid. © WAZ FotoPool

Die junge Stipendiatin hat sich bereits in Duisburg-Marxloh umgesehen; in Essen möchte sie sich demnächst die Villa Hügel und das Areal um das Welterbe Zollverein ansehen. Und es im Bild festhalten. Sie fotografiert analog, ei­ne entsprechende neue gebrauchte Kamera hat sich Gómez jüngst erst zugelegt. Und das, obwohl sie bildende Kunst studiert hat, mit dem Schwerpunkt Skulptur. „Ich habe sehr viel gezeichnet und habe dann irgendwie die Fotografie für mich entdeckt und war gleich passioniert“, erzählt die Berlinerin. An der UdK habe sie analog fotografiert und blieb dabei. „Was mich wirklich daran interessiert, ist das Material – es zu bear­beiten. Der Raum, der Körper, ja das spielt eine Rolle in meinen Bildern“, so Gómez. Medienreflexion sei ihr dabei wichtig. Daher arbeitet sie mit Körnung, Lichtschatten, verschiedenen Farbigkeiten und deren Verfremdung. „Alles mache ich dabei selbst: die Fotos, das Abziehen und Bearbeiten, denn das alles gehört zum künstlerischen Prozess.“

Unsichtbares sichtbar machen

Francisca Gómez.
Francisca Gómez. © WAZ FotoPool

Die Sichtbarkeit und das Sichtbarmachen stehen dabei im Fokus ihrer Arbeit. „Da reicht die Dokumentarfotografie nicht, die sich als rein abbildende Fotografie versteht.“ Gómez möchte stattdessen Unsichtbares und Strukturelles zeigen, den Betrachter treffen und Spannung aufbauen. Wie im spanischen Baskenland, wo sie selbst anderthalb Jahre gelebt hat, und in Madrid. Dort hat die Künstlerin zuletzt eine Brachfläche untersucht, auf der ein europäisches Las Vegas entstehen soll. „Ich wollte es zum Anlass nehmen, über bestimmte soziale Bedingungen sowie wirtschaftliche Entwicklungen nachzudenken.“ Fotografisch wird das Gebiet um Eurovegas, von dem bisher noch nichts zu sehen ist, festgehalten, kritisch betrachtet und soziale Prozesse sichtbar gemacht. „Dabei nutze ich etwa Mittel der Doppel- und Überbelichtung“, sagt Francisca Gómez.

Ihr Stipendium ist als Residenzstipendium konzipiert. Es ist mit 1.250 Euro monatlich dotiert und ermöglicht ihr einen neunmonatigen Aufenthalt im Kunsthaus mit einer abschließenden Ausstellung und einer Publikation. 1998 wurde es von den Essener Rotary-Clubs initiiert.

Erfolgreiche Stipendiaten

Tatsächlich finden sich unter den bisherigen „Junge Kunst in Essen“-Stipendiaten einige sehr erfolgreiche Werdegänge: Etwa Jana Gunstheimer, manchem noch ein Begriff aus der Folkwang-Ausstellung „Dreitausenddreihundertachtundvierzig und eine Nacht“ vor zwei Jahren. Oder der Maler, Grafiker, Zeichner und Bühnenbildner Matthias Weischer, der zuletzt zahlreiche Einzelausstellungen von Rheine bis Costa Rica hatte. Oder Anna Lea Hucht, die 2011 den mit 25.000 Euro dotierten HAP-Grieshaber-Preis erhielt und Bilder mit so vielsagenden Titeln wie „Rücksprache zur Gewinnoptimierung“ malt.