Essen. Menschen aller Nationalitäten kommen Samstag für Samstag zum Flohmarkt an der Uni. Dort geht es zu wie auf einem Basar: Es wird gefeilscht, gestritten und gekauft. Billige Neuware verdrängt allerdings den Trödel.
Links hängen Fliespullies in schrillen Farben, rechts thront ein blassrosa Wachsbuddha zwischen kitschigen Putten aus Porzellan und Überraschungseier-Figuren. Nebenan schaukeln selbstgehäkelte Babystrampler, Angelruten und Mobiles im Wind. Es riecht nach gebratenen Hähnchen, Kebab, Zimt und Koriander. „Kommen, gucken, kaufen“ ruft ein Händler schräg gegenüber und wedelt aufgeregt mit den Armen. Menschentrauben hängen vor seinem Stand und begutachten die unglaublich günstigen Elektroartikel.
Laut, schrill, eng und unübersichtlich ist es hier - und doch hat der Trödelmarkt an der Essener Uni seinen ganz eigenen Charme. Denn nirgendwo ist der Schmelztiegel Ruhrgebiet sichtbarer. Türken, Afrikaner, Polen, Russen, Inder und Araber stillen ihr Heimweh auf dem Markt, der wie ein bunter Orientbasar wirkt. Alle Nationen, so scheint es, sind vertreten. Nicht nur als Händler, sondern auch als Käufer. Tütenweise schleppen sie ihre Schnäppchen weg, und das Samstag für Samstag, seit über 30 Jahren.
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Staubsauger und Knoblauchwürste
Selbst, wer nur zum Schauen und Bummeln an den Reckhammerweg kommt, kann dem vielfältigen Angebot nicht lange widerstehen. Zwei volle Tüten Gemüse für vier Euro - gekauft. Dazu drei Tuben Markenzahncreme für fünf Euro, eine ganze Kiste Limetten für einsfünfzig und als Clou ein Bodenstaubsauger für sage und schreibe 30 Euro. Eigentlich möchte man gar nicht wissen, woher die ganzen Waren kommen. Und die wenigsten, die sich durch die vollen Gassen schieben und um die eh schon niedrigen Preise feilschen, scheint das zu interessieren.
Dass inzwischen die Stände mit billigen Neuwaren die klassischen Trödler mehr und mehr verdrängen, bedauert nicht nur Maggie Schlich. Fein säuberlich hat sie ihr Sammelsurium auf der Spitzendecke ausgebreitet: Porzellan aus den 1960er Jahren, Kristallgläser, Modeschmuck und eine alte Kaffeemaschine warten auf potenzielle Käufer. Seit 15 Jahren trödelt sie an der Uni. „Das ist meine Leidenschaft“, sagt sie, „auch, wenn es sich immer weniger lohnt.“ Trotzdem kommt sie immer wieder.
Lebensmittel aus großen Einkaufstüten
Einen Stand weiter bietet eine füllige Mittvierzigerin polnische Lebensmittel aus großen Einkaufstüten feil: Pierogi, Bryndza, Krakauer und Kabanos, „alles direkt aus der Heimat“, erklärt sie in gebrochenem Deutsch. Ihren Namen möchte sie nicht nennen, auch die drei Kundinnen, die sich laut um die letzten Knoblauchwürste streiten, wollen nichts über sich preisgeben.
Unerkannt bleiben lautet die Devise, die auf Käufer und Händler gleichermaßen zutrifft. Dabei würde man gerne wissen, wie der nette Herr mit Kochmütze heißt, der gerade den Kopf aus seinem Anatolien-Express steckt und „lecker, lecker, Leckerschmecker“ ruft. „Schreib’ einfach Mohammed“, sagt er und reicht seine prall gefüllten Fladenbrote aus dem Wagen. Einen Euro nimmt er dafür.
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