Sie haben oft Monate die Schule geschwänzt. Jetzt müssen sie im Essener Grugapark Sozialstunden ableisten. Darunter der 17-jährige Kevin und der gleichaltrige Yesim. Beide scheinen durch das Projekt „Sozialstunden und Berufsorientierung“ auf einem guten Weg zu sein. Sie wollen jetzt den Hauptschulabschluss nachholen.

Sie sind frustriert, wurden gemobbt, haben die Trennung der Eltern nicht verkraftet, oder Eltern, die als Vorbilder nicht taugen. Sie sind in einer Clique, die ihnen nicht guttut, haben „Scheiße gebaut“, wie sie es formulieren – oder einfach „keinen Bock“. Schulverweigerer. In Essen helfen einige von ihnen, die irgendwann von einem Richter zur Ableistung von Sozialstunden verdonnert wurden, bei der Pflege des Grugaparks. Wie Kevin und Yesim.

Die 17-Jährigen harken in diesen Tagen das Laub vom Rasen, helfen bei der Reparatur von Parkbänken, bei der Pflege von Sträuchern – und was sonst noch so Benedikt Teckentrup, Arbeitspädagoge und Agraringenieur, zur Pflege des unteren Waldtals im Park wichtig erscheint.

Der 35-Jährige ist Mitarbeiter des Projektes „Sozialstunden und Berufsorientierung“ der Essener Jugendhilfe, das im Februar an den Start ging – erst einmal für ein Jahr. 14- bis 18-jährige Schulschwänzer leisten bei ihm ihre gemeinnützige Arbeit ab und sollen über diesen Einsatz, so hofft Teckentrup, auch Einsichten gewinnen. Über den Sinn eines Schulbesuches, über Tugenden wie Verlässlichkeit und Fleiß. Sie sollen aber auch die Gelegenheit haben, über ihre Sorgen und Nöte zu sprechen – wenn sie erst einmal Vertrauen gefasst haben.

Kevin hat sich geöffnet. Der 17-Jährige erzählt, er sei auf der Schule von Lehrern gemobbt worden. Ein halbes Jahr ging er gar nicht mehr hin. Seine Eltern wussten nichts davon. Schließlich schaute das Ordnungsamt zu Hause vorbei, um Kevin zur Schule zu begleiten. Was nichts fruchtete. Seine Eltern sagten: „Wenn er doch nicht will.“ 40 Sozialstunden muss der 17-Jährige wegen seiner notorischen Schwänzerei ableisten. Jetzt hat er sich vorgenommen: „Ich mache meinen Hauptschulabschluss nach.“

„Zwei von drei Jugendlichen halten das bei uns durch“

Yesim, 80 Sozialstunden, ging zwei Jahre nicht zur Schule, lebte zwischendurch im Heim, jetzt ist er wieder bei seinem Vater. Mit dem Gesetz ist er auch in Konflikt geraten. „Mein Vater findet es gut, dass ich die Sozialstunden mache“, sagt der 17-Jährige. Auch er scheint mittlerweile auf einem guten Weg zu sein. „Nach den Herbstferien gehe ich zur Abendrealschule.“

Was Sozialpädagogin Carina Droste, Mitarbeiterin des Projektes, freut, wenn das alles auch so klappt. Die 28-Jährige steht den jungen Leuten unterstützend zur Seite, hilft sogar bei der Suche nach einem möglichen Arbeitgeber. „Zwei von drei Jugendlichen halten das bei uns durch, leisten ihre Stunden ab. Was ein großer Erfolg ist!“ Carina Droste hofft, dass das Projekt „Sozialstunden und Berufsorientierung“ 2014 nicht ausläuft. „Die weitere Finanzierung ist noch nicht geklärt.“

Für das Projekt „Sozialstunden und Berufsorientierung“ arbeiten die Jugendhilfe Essen gGmbH, der Grugapark und die Jugendgerichtshilfe der Stadt zusammen. Die Schulverweigerer leisten nicht nur ihre Sozialstunden ab, die ein Richter irgendwann angewiesen hat. Sie werden auch pädagogisch begleitet.

Es geht um Erfolgserlebnisse, die sich bei der Arbeit oft schnell einstellen, aber etwa auch um das Einüben von Strategien, wie Konflikte vernünftig bewältigt werden können. Außerdem erhalten die Jugendlichen Hilfen zur beruflichen Orientierung. Es gibt eine Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit. Denn den Schulschwänzern – häufig aus einem schwierigen familiären Umfeld kommend – sollen auch Perspektiven für ihre Zukunft aufgezeigt werden. Bei alldem wird versucht, die Eltern mit ins Boot zu holen. „Was nicht in allen Fällen klappt“, wie Sozialarbeiterin Carina Droste betont. „Die jungen Leute bleiben der Schule übrigens meist nicht von einem auf den anderen Tag fern. Zu Beginn werden oft die sogenannten Eckstunden geschwänzt, dann ganze Tage, schließlich geht man gar nicht mehr hin.“

Die Mitarbeiter des Projektes begleiten die Jugendlichen zu Gesprächen in die Schule, in eine Erziehungsberatungsstelle oder eine Klinik, wenn der Schulschwänzer oder die Schulschwänzerin unter psychischen Problemen leiden.