Wer ausgeraubt wird, wählt wohl sofort die 110. Allerdings passiert es beim Notruf mitunter, dass der Anrufer nicht gleich beim ersten Versuch die Stimme eines Polizeibeamten am anderen Ende der Leitung hört. Denn der Leitstelle entgehen manche Notrufe, weil der Anrufer vor der Annahme auflegt.

„Das passiert, wenn mehr Notrufe eingehen, als wir Leitungen haben“, sagt Polizei-Sprecher Lars Lindemann. Die neun Annahmeplätze werden nach dem durchschnittlichen Notrufaufkommen besetzt. Wählt ein Bürger die 110, klingelt und blinkt es an jedem Platz. „Übersehen wird kein Anruf“, sagt Lindemann. Ausgelastet sind die Leitungen aber etwa nach einem riesigen Unfall, wenn zig Leute anrufen. Die Polizei halte Gespräche knapp, wenn die Beamten wissen, dass sie den Unfall bereits entgegengenommen haben. Auch bei einer größeren Evakuierung rufen oft Betroffene an, um sich zu informieren. Andere fragen Grundsätzliches zur Lärmbelästigung. Solche Gespräche leitet die Polizei an zuständige Kollegen weiter, um die Leitungen nicht zu blockieren, denn eine automatische Weiterleitung der 110 an andere Behörden gibt es bislang nicht. Laut NRW-Innenministerium soll die Leitstellentechnik bis Ende 2015 modernisiert werden.

Wie viele Notrufe der Polizei in Essen derzeit entgehen, dazu gibt es im Gegensatz zu anderen Polizeipräsidien keine Zahlen. Nach einer Anfrage des Essener FDP-Politikers Ralf Witzel dazu begründet das Ministerium: „Die Leitstellentechnik in den Kreispolizeibehörden des Landes Nordrhein-Westfalen unterscheidet sich derzeit noch. Die Leitstellentechnik der Behörde Essen beinhaltet keine automatisierte technische Anwendung, die eine weitergehende Auswertung ermöglicht.“ Gezählt wurden lediglich für das Jahr 2012 Notrufe, die vom 9. September bis zum 31. Dezember eingingen: 94 445. Aufgrund eines technischen Defekts an der Telefonanlage sei nur der Zeitraum erfasst worden.

Möglich ist aber ein Vergleich mit der Nachbarstadt Düsseldorf. Dort leben in etwa gleich viele Menschen und die Leitstelle hat ebenfalls neun Annahmeplätze. Am Rhein gingen 2012 etwa 256 000 Notrufe ein, von denen rund 11 000 vom Anrufer vor Annahme nach mehr als zehn Sekunden beendet wurden.

Also könnten auch in Essen jedes Jahr ungefähr 11 000 Notrufe verloren gehen. Selbst wenn das in etwa hinkomme, sagt sie laut Lindemann nichts darüber aus, „wie viele Anrufer sich tatsächlich endgültig nicht melden“. Denn nach einem Überfall zum Beispiel gebe das Opfer sicher nicht nach dem ersten Versuch auf. Zudem glaubt Lindemann, dass 20 Sekunden Wartezeit bis zur Annahme „die absolute Ausnahme sind“. In Düsseldorf waren es immerhin 7600 Notrufe, bei denen Anrufer nach mehr als 20 Sekunden auflegten.