Essen. Ein Gruppe selbst ernannter „Fans“ von Rot-Weiss Essen hat am Mittwoch die Vorführung einer Neonazi-Dokumentation in den Räumen des Fanprojekts gestoppt. Politik habe im Verein nichts zu suchen, argumentierten rund 20 Männer. Der anwesende Regisseur sprach danach von einem „Armutszeugnis für die Stadt Essen“.

Von Drohungen, Nötigung und Sachbeschädigung wird später die Rede sein: „Blut muss fließen“ hätte am Mittwochabend in einem Container nahe des Stadions Essen über die Leinwand flimmern sollen.

Wenn nicht unmittelbar vor der Beginn der Ausstrahlung der Neonazi-Dokumentation eine Gruppe von etwa 20 Männern bei den Veranstaltern, dem Awo-Fanprojekt von Rot-Weiss Essen und dem Bündnis „Essen stellt sich quer“, angerückt wäre: „Wenn sich fünf bis sechs Kleiderschränke vor Ihrem Infostand aufbauen, dann kommen Sie schon ins Grübeln“, sagt Max Adelmann von „Essen stellt sich quer“ und spricht von einer "Drohkulisse". Sie seien „die Fans von RWE“, habe die Gruppe für sich in Anspruch genommen, man dulde keine politischen Aktionen im oder am Stadion, die Ausstrahlung der kritischen Doku über die rechtsextreme Musikszene solle gestoppt werden.

Adelmann und Mitarbeiter des Fanprojekts, zögern, überlegen noch, ob sie sich - notfalls mit Hilfe der Polizei - auf ihr Hausrecht berufen sollen. Die Aggressoren könnten ja einfach abziehen, ohne den Film sehen zu müssen.

Da habe die Gruppe, nachdem sie zuvor schon Plakate und Infomaterial des Bündnisses zerstört haben soll, sinngemäß gedroht: „Dann kommen wir in einer Stunde mit 30, 40 Leuten wieder und räumen hier auf.“ Adelmann bilanziert: „Die Filmvorführung wurde kurzerhand abgesagt - um die jugendlichen Besucher nicht zu gefährden.“ Rund 20 Gäste waren vergeblich zum Container des Fanprojekts gekommen.

„Armutszeugnis für die Stadt Essen“

Am Donnerstagmittag haben Fanprojekt und Bündnis darüber beraten, wie sie mit dem Vorfall weiter umgehen wollen. Groß ist auch am Tag danach noch das Entsetzen bei Max Adelmann über den Vorfall, der sich in Anwesenheit des Regisseurs der Doku, Peter Ohlendorf, ereignete. In über 500 öffentlichen Vorführungen von „Blut muss fließen“ habe der so etwas noch nicht erlebt, berichtet Adelmann.

Beim Fanprojekt des FC Schalke 04 wurde der Film noch am 10. Oktober gezeigt. 250 Zuschauer waren der Einladung gefolgt. Es gab keine besonderen Vorkommnisse. Regisseur Ohlendorf habe nach dem Vorfall von einem „Armutszeugnis für die Stadt Essen“ gesprochen. Adelmann pflichtet dem bei.

Adelmann zeigt klare Kante: „Ein solches Vorgehen werden wir uns nicht noch einmal bieten lassen.“ Er und das Bündnis sehen Rot-Weiss Essen in der Pflicht: Als Reaktion müsse der Verein die Filmvorführung nachträglich ermöglichen, fordert Adelmann, in Anwesenheit des Regisseurs, mit „echten Fans“ und in den eigenen Räumen. Ein Zeichen solle so gesetzt werden.

Verein zunächst völlig überrascht

Völlig überrascht zeigt sich am Donnerstag noch vor der Besprechung der Veranstalter der Verein. Der Vorfall war zu diesem Zeitpunkt in der Geschäftsstelle noch nicht aufgeschlagen. Am frühen Nachmittag reagiert Rot-Weiss Essen mit einer offiziellen Erklärung zunächst auf der Facebook-Seite. Der Wortlaut ist mit dem derzeit urlaubenden Vereinsvorsitzenden Michael Welling abgestimmt: Der Verein distanziert sich "von rechten Drohgebärden" und hält der anonymen Gruppe "vereinsschädigendes Verhalten" vor.

"Große Betroffenheit" sei die erste Reaktion auf der Geschäftsstelle gewesen: "Wir distanzieren uns mit aller Deutlichkeit und ohne Wenn und Aber von den Aktionen solcher Personen. Weder die Androhung von Gewalt noch die Unterdrückung von freier Meinungsäußerung sind mit den Werten des Vereins vereinbar." Für die Aktion der selbsternannten RWE-"Fans" findet der Verein deutliche Worte: "Gegen Diskriminierung und menschenverachtende Weltanschauungen einzustehen ist eine Aufgabe, die nicht am Stadiontor endet." Über das weitere Vorgehen und mögliche Reaktionen seitens des Vereins laufen bei den RWE-Verantwortlichen derzeit noch Gespräche.