Essen. Schaulustige versammelten sich in der Essener City um eine schwer verletzte Taube. Als Anwohner Andreas Hausner telefonisch Hilfe rufen wollte, hagelte es Absagen. Laut eigener Aussage nicht zuständig waren: Feuerwehr, Tierheim, Tierrettung, Veterinär-, Ordnungsamt. Doch Hausner gab nicht auf.

Nein, Straßen- oder Stadttauben haben wahrlich keine Lobby. Ihr Ansehen reicht nicht an das der Brieftauben heran, an das der Friedens- und Turteltauben eh nicht. Die meisten Großstädter ächten Straßentauben sogar: als „Kotflügel“, Balkonbeschmutzer oder „Ratten der Lüfte“.

Straßentauben können froh sein, wenn hier und da ein paar Brotkrumen für sie abfallen – wobei es meist ja sogar verboten ist, sie zu füttern. Auch Geschäftsleute wie die der Interessen- und Standortgemeinschaft Nördliche Innenstadt (ISG) werden ihre Last mit dem vermehrungsfreudigen Federvieh haben. Und trotzdem war ISG-Chef Andreas Hausner am Donnerstag „sowas von sauer“ und „in Fahrt“, weil alle möglichen potenziellen Helfer einer offensichtlich schwer verletzten Taube auf der Viehofer Straße die erste Hilfe verweigerten.

Hausner und seine Sekretärin wählten sich die Finger wund

Der Großhändler für Industrieteile hatte das kraftlos herumflatternde Tier am Vormittag vor seinem Haus entdeckt. „Hatte wohl einen Flügelbruch“, berichtet er. Drumherum hatten sich schon mehrere Schaulustige versammelt. Hausner und seine Sekretärin wählten sich Hilfe suchend die Finger wund.

Mitarbeiter der Firma Gebr. Hilgenberg brachten die verletzte Taube von der Viehofer Straße in das Albert-Schweitzer-Tierheim an der Grillostraße.
Mitarbeiter der Firma Gebr. Hilgenberg brachten die verletzte Taube von der Viehofer Straße in das Albert-Schweitzer-Tierheim an der Grillostraße. © privat | Unbekannt

Der 58-Jährige holt tief Luft und berichtet: „Die Polizei sagte, die Feuerwehr sei zuständig, die verwies uns ans Tierheim, die brachte die Tierrettung ins Spiel“. Die Tierretter aber sagten, so der 58-Jährige, „sie rücken nur für Haustiere aus“. Verwilderte Haustauben und deren Nachkommen wären demnach im Notfall nicht zu retten!

Hausner versuchte es gar beim Tiefbauamt. Letztlich bot das Albert-Schweitzer-Tierheim an, sich um die Taube zu kümmern, sofern jemand den „Krankentransport“ zur Grillostraße übernehme. Mitarbeiter aus Hausners Firma Gebr. Hilgenberg steuerten den Rettungswagen. Ihr Chef war Stunden später noch „entsetzt! Sowas darf in einer Großstadt nicht passieren, dass keiner zuständig sein will.“

Eine Taube sei kein Fall für die Ordnungshüter

Andreas Hausner, Vorsitzender der Interessen- und Standortgemeinschaft Nördliche Innenstadt.
Andreas Hausner, Vorsitzender der Interessen- und Standortgemeinschaft Nördliche Innenstadt. © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool

Das Ordnungsamt hatte er in all der Aufregung vergessen. Aber eine verletzte Taube im öffentlichen Raum sei auch kein Fall für die Ordnungshüter, heißt es bei der Stadt. Das Presseamt verweist auf einen Verweis des Veterinäramtes: Es sehe das Albert-Schweitzer-Tierheim in der Pflicht, so der Stadtsprecher. Details kann er auf die Schnelle nicht in Erfahrung bringen.

Ein Anruf im Albert-Schweitzer-Tierheim bringt zwar keine Erkenntnis zum Gesundheitszustand der flügellahmen Patientin. Auf dem Band vor dem „Piep“ des Anrufbeantworters erklärt eine Dame aber, wer für den Transport in tierärztlichen Notfällen zuständig sei: „der städtische Fuhrpark“. Piep.