Kettwig. .
Die lange Reihe der „Deckel“, die dicht an dicht hinter der Theke hängen an der Flaschen mit Spirituosen aufgereiht sind, sie hat Tradition in der Brückenschenke. Seit Jahrzehnten ist die Kneipe am Mühlengraben Anlaufpunkt für Schüler und Studenten. Und auf die Frage, warum all diese jungen Menschen ausgerechnet die leicht angestaubt wirkende Kneipe anlaufen, antwortet Averbeck schlicht: „Weil sie ist, wie sie ist.“
In der Hochglanz-Gastronomie Rüttenscheids zwischen Lounge-Sesseln und poliertem Holz hat Averbeck lange Jahre gearbeitet. Doch privat hat er sich auf ein Bier lieber in die Brückenschenke gesetzt, „eine ganz normale Kneipe. Gemütlich und schlicht. Davon gibt es nicht mehr viele“, sagt er. Und so wundert es nicht, dass er zuschlug, als ein neuer Wirt gesucht wurde. Er zog ein und tat – nichts.
Das heißt, er führte Motto-Partys ein, die gut laufen, setzte das Mindestalter für den Besuch ab 17 Uhr auf 18 Jahre hoch und änderte die Speisekarte. Doch das Mobiliar blieb, die Wandtäfelungen ließ er schwarz und auch die Buntglasscheiben, die der Kneipe seit Generationen etwas Dusteres geben, sind wie eh und je. Viereinhalb Jahre lang lief der Betrieb unter Averbecks Ägide so, kam das Stammpublikum im Alter zwischen 18 und 35 Jahren selbst aus Mülheim und der Stadtmitte nach Kettwig gefahren. Und dann entschied Marcel Averbeck, dem Haus doch neuen Glanz einzuhauchen.
„Wir haben die Holzvertäfelungen abgeschliffen und geölt, die Wände sind neu gestrichen.“ Und zum Vorschein kam ein ungleich hellerer, freundlicher Gastraum. Doch wozu das alles, wenn der Laden lief? „Weil wir jetzt auch Frühstück anbieten“, sagt Averbeck. Was ein Novum sein dürfte in der mehr als 100-jährigen Gastronomie-Geschichte des gut 300-jährigen Haues. Schnitzel und Croissants stehen nun auf der Karte – „und das funktioniert“, sagt Melanie Wurbs.
Nun ist die junge Frau, die für den Früchstücksservice verantwortlich zeichnet, vielen Kettwigern keine Unbekannte. Mit einer Partnerin betrieb sie das Café „Wuba“ bis der Pachtvertrag auslief. „Von dort sind viele Kunden mit mir hierher gewechselt.“ Skeptisch sei mancher gewesen, ob die „Brückenschenke 2.0“, die viele nur vom Tresenstehen kannten, auch eine gemütliche Atmosphäre bieten könne, „die meisten waren überrascht, wie hell es hier plötzlich ist“, sagt Wurbs, „aber nun läuft das Frühstück richtig gut.“
Das Hauptgeschäft jedoch, da können die Brötchen noch so knusprig sein, macht Averbeck am Abend. „Dann ist es hier manchmal brechend voll. Gerade für junge Erwachsene“, sagt er, „gibt es in Kettwig wenig Angebote.“ Und die Angebote, die es gab, sie hätten geschlossen oder seien runderneuerten Läden gewichen. Nicht der Ort für Schüler und Studenten – oder zumindest keiner, an dem angeschrieben wird.